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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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Trauerspiel »Kabale und Liebe«. Allein dieses Stück rechtfertigt Schillers Ruhm, von den »Räubern« einmal abgesehen und vom »Wilhelm Tell«, mit dem der geniale Fritz den Schweizern ihren Nationalhelden geschenkt hat. Dafür sind sie bis heute dankbar.
    Schillers freiheitstrunkener Widerspruchsgeist war schwäbisch, seine Reime waren es oft auch. Manfred Rommel hat einmal festgestellt, ohne eine gehobene schwäbische Aussprache (»Zwischen Tiger und Leuen / mitten hinein«) brächen Schillers Gedichte in sich zusammen. Wer weiß, ob der »Taucher« oder das »Lied von der Glocke« noch lange einen Platz in den Lesebüchern haben. »Freude, schöner Götterfunken« wird als Text zu Beethovens Neunter Sinfonie überleben – zumindest als Hymne der Europäischen Union. Schiller selbst blieb trotz der Karriere in Weimar und Jena, trotz der Freundschaft mit Goethe, im Grunde seines Herzens ein Schwabensohn. An einen Freud schrieb er, kurz ehe er 1793 eine Reise in die Heimat antrat: »Die Liebe zum Vaterland ist sehr lebhaft in mir geworden, und der Schwabe, den ich ganz abgelegt zu haben glaubte, regt sich mächtig. […] Thüringen ist das Land nicht, worin man Schwaben vergessen kann.«
    Als er noch Regimentsmedikus in Stuttgart war, hat Schiller einen anderen Feuerkopf besucht – den Journalisten, Dichter und Musiker Christian Friedrich Daniel Schubart (1739 bis 1791). Herzog Karl Eugen hatte dem einen harten Erziehungsurlaub auf dem Tränenberg des Landes, dem »Aschberg« zudiktiert, »teils um seiner schlechten und ärgerlichen Aufführung willen«, womit Unzucht und Ehebruch gemeint waren, »teils wegen seiner sehr bösen und sogar gotteslästerlichen Schreibart« – Schubart hatte des Herzogs Geliebte Franziska von Hohenheim öffentlich »Donna Schmergalina« genannt. Schiller kam als »Doktor Fischer« zu Besuch auf den Hohenasperg und wurde von Schubart geherzt und geküßt, nachdem er sich als der Autor der »Räuber« zu erkennen gegeben hatte. Der Clou: Die Idee zu den »Räubern« stammte von dem Gefangenen selbst.
    Egal, wer dieser Schubart nun war, ein Weinschlauch, ein großartiger Organist, ein allzu einfühlsamer Klavierlehrer junger Hofdamen, der erste kritische Journalist des Südwestens, ein unterwürfiger Höfling (»Statt des Tobaks kaue ich Lavendel. Ich glücklicher Mann!«), seine »Fürstengruft« (von 1780) bleibt für immer im Gedächtnis: »Da liegen sie, die stolzen Fürstentrümmer, / ehemals die Götzen ihrer Welt!«. Dazu sein »Kaplied« (von 1787), das den als herzogliches Kanonenfutter mißbrauchten Landessöhnen gewidmet war: »Auf, auf, ihr Brüder und seid stark, / der Abschiedstag ist da! / Schwer liegt er auf der Seele, schwer! / Wir sollen über Land und Meer, / ins heiße Afrika.« Und natürlich die »Forelle«: »In einem, Bächlein helle …« Daß es zum Schluß neben unmäßigem Essen und Trinken nur noch zu Stegreifversen reichte, (»Ach das freut mich königlich, / daß die Dame säuft wie ich!«) ist ein anderes Kapitel. Auf dem besuchenswerten Stuttgarter Hoppenlau-Friedhof hat er sein Grab gefunden. Dabei war er eigentlich gar kein Schwabe, sondern ein Franke aus Obersontheim in den Limpurger Bergen.
Nix – als die Tücke des Geschicks
    Wir ächzen anbetrachts von soviel Literatur, so vielen Dichtern. Doch dieses Dichten – das war im Lande nicht nur die genialische Beschäftigung großer, mal überschwenglicher, mal depressiver Geister. Dichten war und ist auch die Leidenschaft einfacherer Leute. Noch heute erhalten die Zeitungen im Land mehr gereimte Leserzuschriften, als sie je drucken können und wollen. Es ist wie ein Virus, den ein Lehrer einst so diagnostiziert hatte: »Es treibt mi halt zum Reima, / so wie mi’s treibt zum Wei’ …«. Dieses Virus, diese Sucht hat einige Verseschmiede berühmt gemacht.
    Zum Beispiel den oberschwäbischen Dorfpfarrer Michael Jung, der wegen seines »ausgezeichneten Benehmens bei der Nervenfieber-Epidemie« 1814 zum Ritter des königlichen Zivil-Verdienstordens geschlagen wurde. Aber nicht für seine gereimten Nachrufe, die er am Grabe seiner Schäflein in Kirchdorf bei Memmingen gehalten hat. Die stießen nicht nur bei den Hinterbliebenen, sondern auch bei der Obrigkeit auf Kritik, was bei Texten wie dem Nachruf »Beim Grabe eines Mannes, der mit einem Regenschirm erstochen wurde« nicht verwundert: »Hier schlummert eines Mannes Leiche / und modert in der Totenbahr, / der selbst durch seine bösen Streiche /

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