Gebrauchsanweisung für Schwaben
Shaw, und ihr Entdecker war nicht Prof. Higgins. Die Geschichte spielte dreieinhalb Jahrhunderte nach Christi Geburt bei Rottenburg, dem römischen Sumelocenna. Dort entdeckte der römische Schriftsteller Ausonius, dessen Name heute ein erstklassiges Weingut in St. Emilion bei Bordeaux ziert (Château Ausone), eine hübsche, blonde, blauäugige Sklavin namens Bissula. Er beschrieb ihre Gesichtsfarbe als eine Mischung aus »purpurnen Rosen und weißen Lilien«, widmete ihr anrührende Gedichte und machte aus ihr, der Barbarin, eine kultivierte Römerin mit Sinn für die schönen Dinge des Lebens.
Glaube nur niemand, daß die gute Bissula eine Ausnahmeerscheinung im Neckarland gewesen sei. Denn Käpsele gibt es auch in weiblicher Gestalt.
Essen. Von wegen »Hauptsache,
der Ranzen spannt«
Für einen rechten Schwabenmenschen ist der Umgang mit Messer und Gabel, also das »Schnabulieren«, wie man früher sagte, mehr als schnöde Nahrungsaufnahme. Wie heißt es im Ländle? »Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen.« Ja, mehr noch. Es gilt die Devise: »Wie man ißt, so schafft man.« Da ist es Ehrensache, wacker zuzugreifen, auch wenn der ideale Body-Mass-Index dabei ein wenig aus den Fugen geht. Schon Goethes Reineke Fuchs schlug seiner Gemahlin Ermelyn vor: »Laßt uns nach Schwaben entfliehen! Es findet süße Speise sich da und alles Guten die Fülle: Hühner, Gänse, Hasen, Kaninchen und Zucker und Datteln …«
Von Datteln war nicht die Rede in Thaddäus Trolls Bestseller »Deutschland, deine Schwaben«. Dafür stellte der Autor, ein gebürtiger Bad Cannstatter, selbstkritisch fest: »Der Schwabe liebt eine gute Küche. Zum Gourmet, zum Feinschmecker, bringt er es selten.« Begründung: »Man ißt, um satt zu werden.« Mundartlich derb heißt das: »Egal, was i fress, Hauptsach, mei Ranza spannt.«
Das allerdings war vielleicht früher einmal so, seitdem haben sich die Sitten verändert. Oder die Gewohnheiten. Ein Teil der Landeskinder ist fahnenflüchtig geworden und der Bequemlichkeit halber zu Hamburger-Fast food und Tiefkühl-Pizza übergelaufen. Das zweite Drittel schwört noch immer auf deftige Hausmannskost – und der Rest hat Zunge, Gaumen und Geschmacksknospen weitergebildet. Pilgerten die heimischen Feinschmecker früher – angeblich – nach München oder ins nahe gelegene Elsaß, um den Wonnen der Gourmandise zu frönen, so tun sie das heute getrost und selbstbewußt zu Hause. Schließlich blinken in Württemberg, ebenso wie im badischen Landesteil, mehr Gastronomie-Sterne als in anderen Teilen der Republik, und Starköche schwingen landauf, landab ihre Rührlöffel.
Nein, wir machen hier keine Schleichwerbung. Aber manche prominente Küchenkünstler sind weit über Süddeutschland hinaus bekannt. Zum Beispiel in Stuttgart Martin Öxle vom Zweisterne-Restaurant Speisemeisterei im Schloß Hohenheim, Vincent Klink mit seiner Wielandshöhe hoch über der City, Bernhard Diers, der in der Zirbelstube im Hotel Schloßgarten kocht; dazu Armin Karrer, der Chef des Hirschen in Fellbach, Andreas Goldbach, Maître der Linde in Pliezhausen-Dörnach, Rolf Straubinger vom Salacher Burgrestaurant Staufeneck. Nicht vergessen sei auch Altmeister Lothar Eiermann mit seiner Friedrichsruhe in Zweiflingen bei Ohringen. Alles in allem finden sich allein in und um Stuttgart zwölf Restaurants mit einem oder zwei Michelin-Sternen. Und falls es jemand vergessen haben sollte: Auch Baiersbronn, wo Harald Wohlfahrt (Schwarzwaldstube in der Traube Tonbach), Claus-Peter Lumpp (Restaurant Bareiss) und Jörg Sackmann (Restaurant Schloßberg) Sternschnuppen massenhaft einfangen, gehörte seit jeher zum schwäbischen Teil des Schwarzwalds. Natürlich ist das nur ein Ausschnitt aus dem Angebot dieses kulinarischen Paradieses. Aber Vorsicht: Hier ißt man zwar exzellent, manchmal auch teuer, aber selten durchgehend schwäbisch.
Schnepfen oder ein Süpple
Aus zwei Gründen sind die Bewohner des Neckarlandes, die Landsleute von Schwarzwald, Schwäbischer Alb und Oberland den leiblichen Freuden gegenüber aufgeschlossen. Der erste: In den ärmeren, bäuerlichen Gegenden war früher Schmalhans Küchenmeister. Es gab Hafermus zum Frühstück, zum Mittag- und zum Abendessen – und wenn es gutging, einen Ranken Brot aus Dinkelmehl dazu, dem traditionellen Schwabenkorn. Da wurde jedes Stückchen Fleisch zum Festmahl, auf das man sich die ganze Woche lang freute. Der zweite Grund: In den städtischen Revieren, vor
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