Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
Vom Netzwerk:
»Mittagsgebet bei der Ernte«, 1861 entstanden, hängt in der Stuttgarter Staatsgalerie und ist immer noch ein Wallfahrtsort für die Heimatfans. Warum? Weil es einerseits seine frommen, andererseits aber auch seine heiteren Seiten hat – und das alles unter einem reichtragenden Apfelbaum, wie er in den heutigen Niederstamm-Plantagen nicht mehr vorkommt.
    Daß es der Schwabe gern plastisch-handgreiflich hat, bewiesen schon vor 30 000 Jahren steinzeitliche Holzschnitzer auf der Schwäbischen Alb mit ihren Löwenmenschen und Mammutfiguren. Das war ein künstlerischer Urknall. Doch bis heute haben es die Plastiker zwischen Ripple und Filderkraut nicht immer leicht. Als man in Stuttgart nach einem geeigneten Platz für Henry Moores üppige »Liegende« suchte, grummelten die Leute: »Viel zu wüscht«. Als Alexander Calders großes Mobile »Crinkly with a Red Disk« auf dem Schloßplatz aufgestellt wurde – Kostenpunkt vor einem Vierteljahrhundert knapp eine Million Mark –, hieß es: »Viel zu teuer«. Das »Kuhriosum« von Jürgen Görtz in Bietigheim-Bissingen war für die Bürger ebenso gewöhnungsbedürftig wie die Schlange des Niederländers Auke de Fries über der Ludwigsburger Zentralkreuzung »Stern«. Doch der Mensch gewöhnt sich an den Anblick, gewinnt ihn irgendwann sogar lieb. So sind all diese Figuren längst eingebürgert – inklusive der fast lebensechten »Putzfrau« von Duane Hanson in der Stuttgarter Staatsgalerie, der die Sympathie aller eingeborenen Putzlumpen-Fetischisten gehört.
Grombiera statt Kunst
    Hätte doch der einstige württembergische Landtag nur auch progressiv gedacht und die berühmte Stuttgarter Sammlung Boisserée im 19. Jahrhundert für die Staatsgalerie gesichert. Doch der Abgeordnete Mosthaf sprach für seine sparsamen Kollegen: »Mir brauchet koi Kunst, mir brauchet Grombiera!« So blieben die Kartoffeln im Ländle und die 213 Gemälde wanderten in die Alte Pinakothek nach München ab. Was in Stuttgart blieb, war die königliche Sammlung weiblicher Nackedeis, die Wilhelm I. diskret angelegt und stellenweise hinter Vorhängen versteckt hatte. Auch sie ging nach dem Tod des Königs an die Isar. Die Versteigerung und die dabei erzielten Preise waren allerdings kein Ruhmesblatt, eher eine postume Blamage. Hätte es damals Harald Schmidt schon gegeben, es wäre ein »gemähtes Wiesle« für ihn gewesen. Doch auch ohne diese Pointe avancierte der TV-Satiriker, geboren in Neu-Ulm und aufgewachsen in Nürtingen, im Magazin »Cicero« zu Deutschlands Intellektuellem Nummer zwei, nach dem Dichter Günter Grass und noch vor dem Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki.
    Unser Harald also? Nein, diese Gefahr besteht kaum, anders als bei Schiller und Hölderlin. Schon weil man Schmidts Monologe bei Schulfesten nicht so schön aufsagen kann. Ebenso wie die Fernsehautoren Felix Huby alias Eberhard Hungerbühler (Tatort-Krimis, Pfarrerin Lenau, Tierarzt Dr. Engel) und Fred Breinersdorfer (»Der Hammermörder«) sind zwei andere hochgeistige Identifikationsfiguren inzwischen ebenfalls abgewandert. Es geht um niemand anderes als um Micky Maus und Asterix. Lange Jahre wurden sie von einem Verlag nahe Stuttgart ins Deutsche übertragen – Asterix sogar ins Schwäbische. Da traten dann Röhrle auf und Fäßle: Vincent Klinkos als Cäsars Koch, dazu der Sklavenhändler Mooshammus. Obelix artikulierte schwäbisch-freundlich: »Schlofat ihr eigentlich nie, ihr Schofseckel, ihr römische?«
    Nur einer braucht nicht synchronisiert zu werden: der Poet und Philosoph Manfred Rommel. Er darf sich inzwischen als meistgelesener deutscher Lyriker und Auflagenmillionär fühlen. Wohl auch deshalb, weil seine Verse meist kurz und unmißverständlich sind: »Das Dichterherz ist wie ein Schwamm, / es saugt was auf und er schreibt’s z’samm.« Aus der Erfahrung des ehemaligen Stuttgarter Oberbürgermeisters stammt der Spruch: »Schütz uns vor Rheuma, Grippe, Gicht, / und vor der Kommunalaufsicht.« In seinen philosophischen Sentenzen beschäftigt er sich gern mit dem schwäbischen Innenleben. »Der Schwabe tut so, als ob er arm sei; aber er ist beleidigt, wenn andere ihm das glauben!« Oder: »Der Schwabe denkt immer: was groß ist, ist unnötig.«
    Das alles dokumentiert, daß in schwäbischen Landen neben dem Sinn für das Praktische auch ein reges Interesse an der Kultur wohnt. Das läßt sich auch an einer frühen Vorläuferin von »My fair Lady« zeigen. Sie hieß nicht Eliza, wie bei George Bernhard

Weitere Kostenlose Bücher