Gebrauchsanweisung für Schwaben
Pfeffer, Salz und ein »Schucker«, ein Schuß Rotwein, beigegeben sind. Damit auch die Fleischeslust befriedigt wird, gibt es dazu Saitenwürstchen.
»Mit der Gabel isch’s a Ehr, mit ’em Löffel kriegt mr mehr«, heißt es bei solch rustikalen Delikatessen. Die werden meist nur noch in traditionsbewußten Haushalten aufgefahren. Dort wird seit eh und je kalorienhaltige Vorsorge betrieben. Wie sagte Jungfer Christine in Ottilie Wildermuths Pfarrhausgeschichten? »Man hat was im Rauch, man hat was im Salz, man hat was eingemacht, man hat was im Keller, man hat was in der Speiskammer.« Das wäre heute mit Kühl- und Gefrierschrank zu übersetzen.
Nun wird der gestrenge Eß-Ideologe bei den bisher erwähnten Gerichten einwenden, die Schwaben hätten doch eigentlich gar kein rechtes Verhältnis zur Kartoffel. Ätschegäbele, falsch geraten. Die Erdbirne hat durchaus ihren Platz in der rustikalen Küche, aber eben am rechten Ort. Nehmen wir nur einmal die viel belachten »Buabaschbitzle«, also die Bubenspitzle, die einfach nur Schupfnudeln sind und so wunderbar zum Kraut passen. Früher einmal fabrizierte man sie aus Mehl, und weil der »Mehlpapp« sie sehr fest machte, hießen sie auch Ranzenstecher. Längst aber nimmt die aufgeklärte Köchin als Rohmaterial lieber abgekochte, durchgepreßte Kartoffeln, fügt ihnen ein Fünftel bis ein Viertel Mehl bei, dazu Eier, Butter, Salz und Muskat, macht einen Teig daraus – und schupft dann die Nudeln. Das heißt, sie »wärgelt« kleine Portionen davon zwischen den angefeuchteten Handflächen, so daß ein in der Mitte dickeres, an den Enden schlankeres »Spitzle« herauskommt. Fünf Minuten lang ein siedendes Bad in Salzwasser, danach in der Pfanne goldgelb angeröstet – fertig ist der Schmaus.
Leider gibt es diese Delikatesse, die man mit Gemüse und Kräutern auch schön grün färben kann, inzwischen vorwiegend als Industrieprodukt. Seltsamerweise schmecken diese 08/15-Spitzle genau wie die fabrikmäßig gefertigten, angeblich original-italienischen Gnocchi: ein anonymer Mehlzement, der eher an Kaugummi als an köstliche Teigwaren erinnert.
Wenn wir schon bei den Kartoffeln sind: Aus ihnen macht die Schwäbin eine Delikatesse, die der Dichter Friedrich Schiller am liebsten zur Knackwurst gegessen hat, den Kartoffelsalat. Aber nicht irgendeinen dieser inzwischen mannigfach in Plastikcontainer abgefüllten Magenstopfer, sondern den echten, der aus feinen Scheiben vorher abgekochter Erdäpfel besteht. Die Scheiben werden dann mit einer Mischung aus warmer Fleischbrühe und Essig »angemacht«, mit Salz, Pfeffer, kleingeschnittenen Zwiebeln gewürzt und, wie es so schön heißt, »pikant« abgeschmeckt. Dabei darf der Salat weder »furztrocken« schmecken noch »seichnaß«. Er muß, dank eines feinen Öls, feucht sein, »schwätzen«; dann ist er der ideale Begleiter zu allen Teigwaren, zu Spätzla, zu Maultaschen, auch zum »gemischten Braten«, halb Rind, halb Schwein, und notfalls auch zu einem gebackenen Leberkäse.
Ein Spätzle fürs Schätzle
Haben wir erneut die Spätzle erwähnt? Ja, um die kommen wir natürlich nicht herum – um diese südwestdeutsche Erfindung, diese landesexklusive Errungenschaft. Aber halt, was heißt da Erfindung? Polyglotte Menschen behaupten doch tatsächlich, das Wort »Spätzle«, Plural Spätzla, bedeute keine Miniausgabe des Sperlings (lat. Passer domesticus), sondern stamme vom italienischen spezzare ab, genauer von spezzato und spezzatino: dem Gestückelten, dem Geschnetzelten, dem Ragout. Hätten sie recht, und einiges spricht dafür, dann hätten wir die weißen Teig-Engerlinge von den Römern geerbt. Und deren bekannte Lust auf Teigwaren gleich mit, die sie womöglich von den alten Chinesen übernommen haben.
Wie dem auch sei, die Spätzle, die handgemachten natürlich, sind tatsächlich die »Säulen der schwäbischen Küche«. Ob sie nun natur, als Leber- oder als Kässpätzle präsentiert werden, es ist immer eine Augenfreude, der Hausfrau zuzuschauen: wie sie resolut den Teig aus Mehl, Eiern, Salz und Wasser mit einem Kochlöffel »schlägt«, bis er Blasen wirft. Wie sie den Teig auf das Spätzlesbrett legt, wie sie mit Hilfe eines Schabers oder Messers ein Teigwürstchen nach dem anderen ins kochende Wasser schleudert – und das mit einer Lockerheit im Handgelenk, die jedem Rockgitarristen zur Ehre gereichte.
Diese Spätzle sind unverzichtbare Beilagen für viele Speisen: für den Zwiebelrostbraten, für das
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