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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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allem in Stuttgart, übten sich die fürstlichen und adeligen Häupter schon immer in der elitären Kunst des Dinierens. Liest man, was zu einem Jagdschlußessen »zu Ehren höchster Herrschaften« um 1890 am württembergischen Hofe aufgefahren wurde, läuft einem noch heute das Wasser im Munde zusammen. Da gab es Austern, Fasanen-Suppe, Rheinsalm geröstet, Wildschweinrücken mit Jägersauce, junge französische Hühner, Gänseleberterrine mit Sulz, Schnepfen gebraten mit Brotschnitten, neue Spargeln mit Sauce Hollandaise, Caramel und Vanille-Gefrorenes, Dessert, Früchte und Käse. Dazu wurde – wohlgemerkt im angeblich sparsamen Württemberg – Pommery-Champagner serviert, süßer Sauternes, teurer Mouton-Rothschild aus Pauillac, Jahrgang 1881, und feiner Clos de Vougeot aus Burgund, Jahrgang 1871.
    »Mahlzeit«, hätte da der Landmann gesagt, »möge das Zeug den Herrschaften im Halse steckenbleiben.« Selbst wenn dieser menschenfreundliche Wunsch nicht in Erfüllung ging: Viele der hochmögenden Schlemmer litten hernach, wie der despotische und zeugungsfreudige Herzog Karl Eugen, wegen dauernder Übersäuerung des Körpers am sogenannten Podagra samt Gichtknoten.
    Davon wenigstens wurde der Bauer auf der Alb und der Wengerter im Unterland seltener heimgesucht. Denn bei ihnen daheim gab es die typisch schwäbische Resteküche, organisiert von der Hausfrau, der Muader oder der Mamma (nicht der italienischen, sondern der heimischen, gesprochen mit einem zweifach-nasalen a, bitte! ). Sie sorgte dafür, daß die Mägen der Familienangehörigen wie auch des Gesindes gut gefüllt wurden – zuerst einmal mit einer Vielzahl von Suppen. Hieß es beim französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. noch »Lieber eine klare Brühe als ein reines Gewissen«, so haben die Schwaben bis heute einen anderen Spruch parat: »A g’scheite Supp schadet dem dümmsten Menschen nix.« Sie bereitet den Magen vielmehr schonend auf die bevorstehenden Strapazen vor.
    Deshalb beginnen die sprichwörtlichen Suppenschwaben bis heute ihr Menü mit einem »Süpple«. Das war schon 1788 so. Da reichte der schwäbische Pfarrer Johann Friedrich Flattich in Münchingen hohen Besuchern eine Wassersuppe, und freute sich, daß die Herrschaften lebhaft löffelten. Er erinnerte sie daran, daß Gott im zweiten Buch Mose, Vers 23, sage: »Ich will dir dein Wasser und Brot segnen«. Deshalb sei diese schlichte Suppe »eine vorzügliche Speise, weil sie aus Wasser und Brot« bestehe. Also »lag ein Segen drauf«, wie man früher sagte.
    Doch dabei blieb es nicht. Das Angebot im tiefen Teller war groß und reichte von der Milch- und der Biersuppe über die üppigeren Grieß- und Riebelessuppen bis hin zur Flädles- und zur gewaltigen Metzelsuppe. Flädla sind dünn gebackene Pfannkuchen, die in feine Streifen geschnitten und der Brühe beigegeben werden. Und von der Metzelsuppe hat der Dichter Ludwig Uhland schon vor 150 Jahren geschwärmt: »Wenn solch ein Fleischchen, / weiß und mild, / im Kraute liegt, das ist ein Bild, / wie Venus in den Rosen.« Woran man erkennt, daß hier die Grenzen des bescheidenen, dünnflüssigen Suppengerichts längst gesprengt sind. Uhland sagte es selbst: »Hie reimt sich trefflich Wein auf Schwein, / und paßt sich köstlich Wurst und Durst, / bei Würsten gilt’s zu bürsten.« Also herzhaft zu trinken, bitteschön.
    Es ist wohl etwas Wahres dran an der alten Weisheit: »Wer lange suppt, lebt lang.« Ähnlich verhält es sich mit der suppigen Verwandtschaft, den Eintöpfen.
Gaisburger Marsch, zwei, drei, vier
    Von diesen Eintöpfen kennt die Schwabenküche mehrere, doch die bekanntesten sind der Gaisburger Marsch und die Sauren Kartoffelrädla. Der Gaisburger Marsch bestand einst aus »Kartoffelschnitz und Spatza«, einer eher eigenwilligen Mischung aus Kartoffeln, Teigwaren und geschmälzten Zwiebeln, harmonisch vereint in einer fleischlosen Brühe. Seinen Namen hat das Gericht angeblich von Soldaten, die in der Nähe des Stuttgarter Stadtteils Gaisburg exerzierten. Weil ihnen das Kasernenessen nicht schmeckte, marschierten sie oft in ein schwäbisches Gasthaus, wo es den »Marsch« gab, oder eben den Eintopf nach dem Marsch. Es ist anzunehmen, daß der Wirt dem Essen schon damals jene Zutat beifügte, die heute wie selbstverständlich dazuzählt: gesottene Ochsenbrust. Auch die sauren Kartoffelrädle, also in Scheiben geschnittene Kartoffeln, schwimmen in einer würzigen Mehlschwitzebrühe, der Zwiebel, Essig, Zucker,

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