Gebrauchsanweisung für Schwaben
daß ein lieblos gefertigtes Rohprodukt in einem im Neckartal stehenden Industrieofen »aufgebäht«, also erhitzt wird.
Und dann noch drittens: der warme Zwiebelkuchen – ein Vetter des elsässischen Salzkuchens. Auf einem ausgewellten Hefeteig plaziert die Bäckerin glasig gedünstete, gehackte Zwiebeln, die mit Speckwürfelchen, Eiern, Rahm, Salz und Kümmel vermischt wurden. Heiß wird diese Delikatesse serviert, warm wird sie zu neuem Wein oder zu Most gegessen. Was danach kommt, dafür trägt jeder Esser, jede Esserin selbst die Verantwortung. Der Name »Orchestertorte«, die dieser blähende Kuchen trägt, spricht Bände. Wem die akustischen wie geruchlichen Folgen zu undelikat erscheinen, der kann sich ja mit einem Käsekuchen oder einem schwäbischen »Epflkucha«, einem Apfelkuchen, begnügen. Da halten sich die Auswirkungen in schicklichen Grenzen.
Eine Wirtschaft mit »le«
Soweit ein kleiner Ausschnitt aus den Herrlichkeiten der schwäbischen Küche, die noch heute nach Rezepten der altehrwürdigen Kochautoritäten Luise Löffler, Friederike Fellger, Luise Hainlen und Hermine Kiehnle hergestellt werden – in glücklichen schwäbischen Haushalten. Was aber, wenn kein kundiger Privatkoch, keine routinierte Hausfrau aufzutreiben sind? Dann bleibt nur der Gang ins nächstgelegene Lokal. Aber da gibt es große Unterschiede.
Beginnen wir mit den kulinarischen Stätten, die sich Restaurant nennen. Hier schwäbische Hausmannskost zu suchen, ist oft vergebliche Liebesmüh. Klar: Schnitzel, Filets, Carrés gibt es dort genügend, von weltmännisch bis lieblos. Aber ein Ripple mit Kraut sollte man nicht erwarten. Das findet sich, wenn man Glück hat, in Etablissements, die sich als »Wirtschaft« bezeichnen. Ihr Hauptzweck ist die Verpflegung der Gäste, also die Versorgung mit Essen und Trinken – in dieser Reihenfolge. Wirtschaften gibt es im Schwäbischen, wie überall in der Welt, mehr schlechte als rechte. Man sollte die Einheimischen um Rat fragen. Wenn die brummen, da esse man »net schlecht«, könnte ein Versuch lohnen. Vor allem dann, wenn die ausgehängte Speisenkarte liebevoll von Hand geschrieben ist und hin und wieder wechselt.
Eine andere Kategorie des schwäbischen Einkehrvergnügens stellen die Weinstuben dar. Hier steht das Getränk im Vordergrund, das Speisenangebot ist oft eingeschränkt – aber durchaus landestypisch. Wir kommen beim Kapitel Wein noch darauf zu sprechen. Ob Wirtschaft oder Weinstube – die Vertrauenswürdigkeit steigt, wenn Einheimische (und nicht nur der Wirt) solche Einrichtungen mit einem schwäbischen »le« adeln. Ein Wirtschäftle ist gemeinhin enger, kuscheliger, gemütlicher als eine prosaische Wirtschaft, und das Mädle, das darin bedient, meist netter und lieber als die Serviermamsell. Genauso verhält es sich mit dem Weinstüble. Allerdings hat die Kleinheit der Stätte einen gravierenden Nachteil: Wenn der Neuling erwartungsfroh eintritt, sind alle Plätze meist schon belegt. Und wenn der Schwabe einmal hockt, dann hockt er. Mit dem Kunstwort »Hocketse« hat das übrigens nichts zu tun, das ist eigens für neumodische Straßenfeste erfunden worden. Die Hoffnung jedenfalls, eines der zahlreichen, meist ausladenden Hinterteile könne sich erheben und einem Nachfolger Platz machen, wird meist enttäuscht. Also: rechtzeitig kommen, selber hocken.
Schließlich der oder die Besen. Aber davon sprechen wir lieber beim Thema Trinken. Denn hier wird nicht vorwiegend gekaut. Sondern geschlürft, geschluckt, geschlotzt. Und auch gebissen, wenn es um Trollinger geht.
Flachnudel als Fastenspeise: die Maultasche
Nach der Aufzählung der schwäbisch-kulinarischen Spezialitäten im letzten Kapitel kann den Reingeschmeckten – hier trifft der Begriff einmal ins Schwarze – nichts mehr überraschen oder gar erschrecken. Fehlt nur noch eine Delikatesse, die am Neckar gern als »Botschafterin der schwäbischen Küche« bezeichnet wird. Das deshalb, weil sie inzwischen längst alle Grenzen hinter sich gelassen und eine Art Globalisierung erlebt hat. Richtig, wir sprechen von der Maultasche. Sie hat bereits weltweit Aufmerksamkeit erregt: Im Englischen heißt sie Swabian pockets, im Französischen les Maultaschen de la Souabe, und wer die Maultasche über Google sucht, braucht schätzungsweise ein, zwei Jährle, um alle Seiten zu sichten.
Zunächst bedarf jedoch der Name einer Erklärung. Eine Tasche ist auch im Ländle eine Tasche, nur ist sie manchmal besser
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