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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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Linsengericht, zu dem zwecks Komplettierung auch noch Saitenwürstchen und ein Stück Speck gehören, zum bereits erwähnten gemischten Braten. Und als Käs- bzw. Schinkenspätzle können sie auch eine Solistenrolle übernehmen. Sättigungsbeilage? Nie und nimmer, sonst hätten sie keinen Platz in der Literatur gefunden – oder zumindest in einem »Lumpenliedle«: »Mei Mutter, des Luder, / macht d’Spatze so klein, / mei Vatter, der Donder, / frißt sie alle allein.« Luder brauchen wir nicht zu übersetzen, der »Donder« aber hat seinen Ursprung im Donner. Er ist eben ein donderschlächtiger, verfressener Kerl.
    »Zum Donder« ist auch der richtige Ausdruck des Staunens angesichts des Einfallsreichtums, mit dem Schwaben Spätzlesmaschinen erfunden haben. Die Allgäuer bedürfen dieser Hilfe nicht. Sie löffeln den Teig oder drücken ihn einfach durch ein Sieb. So bekommen sie automatisch ihre Knöpfle. Doch da immer weniger Köchinnen Lust oder Zeit haben, den Teig von Hand zu bearbeiten, haben findige Köpfe Abhilfe geschaffen. Groß ist die Zahl der Pressen und Hobel, die den Teig in seine Wurmform bringen; sogar ein leibhaftiger Stuttgarter Regierungspräsident hat einen solchen mechanischen »Spätzlesschwab« konstruiert. Auf den ist er mindestens so stolz wie auf seine Verwaltungsakte. Immerhin produzieren diese Kleinmaschinen eßbare Produkte, die den Fabrikteigwaren überlegen sind. Doch der kundige Spätzlesesser erkennt sie auf zehn Meter gegen den Wind. Immerhin, besser als Hunger zu haben »wie ein Krabb«. Und »besser als a Gosch voll Glufa«, oder auf hochdeutsch: Besser als ein Mund voller Stecknadeln.
    So könnten wir jetzt immer weiterschwelgen in den Eßgenüssen und all die Feinheiten beim Namen nennen: die Pfannenkuchen, die sauren Nierle, das Leberle, die Kutteln, die es traditionell mit »gröschte Kartoffel« gibt. Das heißt nun nicht, daß sie von den allergrößten Erdäpfeln stammen müßten, sondern einfach, daß sie in einer stabilen Pfanne in Fett »geröstet« wurden. Aber irgendwann ist auch der geräumigste Bauch so gefüllt, daß der Esser – wie man es den Kindern erklärt – nicht mehr »Pfaff« sagen kann.
Und sonntags einen Hefenkranz
    Auf die Gefahr hin, daß der geneigte Leser platzen könnte, seien noch drei weitere schwäbische Spezialitäten erwähnt. Erstens der Hefenkranz, ein aus süßem Hefeteig mit Rosinen gefertigtes, in Zopfform geflochtenes Backwerk, das am besten Sonntagmorgens schmeckt – nur mit Butter bestrichen oder mit selbstgekochtem Xälz, wie man hier die Marmelade nennt. Für einen bekannten Stuttgarter Bankdirektor war der Tag des Herrn erst dann komplett, wenn ihm seine Frau einen liebevoll selbstgebackenen Kranz servierte. Dann vergaß er selbst den Lombardsatz für ein Stündchen.
    Zweitens: die Brezel natürlich, die weltweit imitiert, aber geschmacklich und in ihrer knusprigen Konsistenz nie erreicht wurde und wird. Dieser schlangengleich geschwungene und geschlungene Teig soll seinem Erfinder das Leben gerettet haben – weil ihm die Hinrichtung drohte, wenn er seinem despotischen Fürsten kein Backwerk präsentiert hätte, durch das dreimal die Sonne scheint. Seither vespern die Schwaben dieses Salzgebäck mit Vorliebe zur Wurst oder auch zum Trollinger. Bürgermeister präsentieren es gern bei Empfängen, wobei man die Kassenlage der jeweiligen Stadt daran erkennen kann, ob die Brezel dick oder dünn mit Butter bestrichen ist – oder, wie lange Zeit in Stuttgart, auch gar nicht. Der Kenner aber verlustiert sich am liebsten an den »Ärmchen« der Brezel. Je knackiger die sind, desto besser war der Bäcker.
    Die Namen solcher Backkünstler werden selbst in der einstigen »Beckenstadt« Stuttgart inzwischen wie Geheimtips gehandelt. Denn die Globalisierung hat längst auch die Brezel erfaßt. Nein, damit sind nicht jene harten, gummiartigen Teiglinge gemeint, die der Bayer als »Brezn« arglos zu seinen Weißwürsten verspeist. Auch nicht jene harten »Pretzels«, mit denen die Amerikaner die Stabilität ihres Gebisses testen, und auch nicht die süßen Russenbrezeln. Die Backkonzerne und Tankstellenshops haben längst herausgefunden, daß sich die Brezelrohlinge viel billiger aus Polen und der Ukraine importieren lassen. Nichts gegen die dortigen Fließbandarbeiter. Aber schwäbische Brezeln, dieser gebackene Traum aus zartem Innenleben und knackiger, in Lauge gebadeter, mit Salzkörnern dekorierter Kruste, entstehen eben nicht dadurch,

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