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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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brauchte Menschen, die traditionell »verhockt« und allen modernen Risiken abhold waren. Sicherlich lieferte die Realteilung und damit die Parzellierung des Ländles in kleinste Baugrundstücke die reale Grundlage dafür, ebenso wie der schwäbische Pietismus mit seiner gottgegebenen Lehre »Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist« (Kolosser 3, Vers 2).
    Das, was drunten auf Erden ist, betrachtet der Schwabe als »seins«. Ob es nun Holz oder Mörtel, Beton oder Stahl, Glas oder Klinker ist – Tatkraft und Motivation sind vonnöten, um daraus schöne Häuser zu formen. Mehr nicht. Selbst der »Stuttgarter Zeitung« blieb es nicht verborgen, daß der »schwäbische Häuslesbauer nichts anderes ist als die Erfindung von konservativen Politikern, die ihren Wählern aus durchsichtigen Gründen ein Stück braven Lebensgefühls vermitteln wollen.« Exakt. Aber genau dieses Lebensgefühl braucht der Schwabe.
»Monet, den möget mir«
    Was aber macht der Schwabe mit dem übrigen Geld, wenn er sein Häusle ordentlich finanziert hat? Er legt es natürlich an, vorzugsweise bei der Sparkasse – und in Öl. Zwischen Friedrichshafen und Friedrichsruhe hängen in konkurrenzloser Dichte die hochkarätigsten Kollektionen bemalter, gerahmter Leinwände des 19. und 20. Jahrhunderts. Wenige zeigen ihre Schätze oder reden darüber wie Trumpf-Chef Leibinger, Schokoladen-Erbin Marli Hoppe-Ritter (»Quadratisch. Praktisch. Gut.«) oder Schrauben-Chef Würth. Die meisten verstecken ihre künstlerisch wertvollen Objekte in ihren Häusern, hängen sie in ihre Wohnzimmer: Picasso (»Mir hent halt a Antenne fürs Moderne«), Monet (»Den möget mir«), Kirchner (»Seine Farben stechet ins Aug«), Jan Peter Tripp (»Mei Mann g’fällt sich da gar net«). Angeblich hängen im Ländle mehr Meisterstücke der Moderne als in der Münchner Pinakothek und dem Guggenheim-Museum in Bilbao zusammen. Internationale Spitzenmuseen beziehen ihre Ausstellungsleihgaben oft zu großen Teilen aus den schwer zugänglichen Asservatenkammern der schwäbischen Sammler. Für diese Schätze braucht der kunstliebhabende Schwabe zwar Geld, aber keinen Bausparvertrag.
    Manche, aber längst nicht alle Klischees rund um die Schwaben sind von der Wirklichkeit gedeckt. Doch sie werden nicht nur von Politikern gepflegt, die anderes im Schilde führen, oder von Auswärtigen, die die Schablonen zur eigenen Positionierung benötigen. Nein, auch die Schwaben selbst hüten sorgsam diesen Hort an Selbststilisierung. Andererseits weisen sie – dialektisch – darauf hin, daß nichts von dem stimme, was man über sie sage. Dafür liefert sogar Martin Walser als Kronzeuge vom Schwäbischen Meer den Beleg: »Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr.« Für diese Erkenntnis braucht es keinen Hegel. Der Fremde aber muß den Widerspruch bei einer Visite im Ländle selbst auflösen.

Der Schwabe und die Mobilität
     
     
     
    Typisch. Zunächst sind sie nicht so richtig in Fahrt gekommen, die als etwas »verhockt« geltenden Schwaben. Nachdem sie aber Gefallen an der Geschwindigkeit gefunden hatten, setzten sich die schwäbischen Tüftler schnell an die Spitze der technischen Entwicklung und fuhren allen anderen mit hohem Tempo davon.
    Am Anfang war die Eisenbahn – und ein Ziegenbock. Den hatte ein schwäbischer Bauer auf dem Markt erworben. Für die Rückfahrt in sein Heimatdorf, das irgendwo zwischen Biberach und Meckenbeuren gelegen haben muß, wählte der Landwirt den Zug. Den Bock band er mit einem Strick an den letzten Waggon, setzte sich zu seinem »Weible« ins Abteil und zündete »sei stinkichs Pfeifle« an. Doch als er bei der nächsten Haltestation nach seinem »Böckle« schaute, fand er nur noch das Seil und den abgetrennten Kopf vor. Der Rest des Tieres war unterwegs abhanden gekommen – ein Opfer der Geschwindigkeit.
    Diese makabre Geschichte vom grausamen Tod eines Ziegenbocks erzählt das volkstümliche und später sehr populär gewordene Lied »Auf de schwäb’sche Eisebahne« – komponiert und getextet von einer Gruppe Studenten, die sich damit über die Unbeholfenheit lustig machten, mit der die ländliche Bevölkerung dem Fortschritt moderner Verkehrstechnik begegnete. Angeblich soll das Lied erstmals am 1. Juni 1850 angestimmt worden sein, doch historisch verbürgt ist das nicht. Nur soviel steht fest: Von dieser Zeit an ist die Hauptstrecke der »Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen«, die von Heilbronn über Stuttgart

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