Gebrauchsanweisung für Schwaben
und Ulm nach Friedrichshafen am Bodensee führte, durchgängig befahrbar gewesen.
Dabei hatte die Eisenbahn im Ländle erst relativ spät Einzug gehalten. Die erste, von einer Dampflokomotive befahrene und für den öffentlichen Personenverkehr genutzte Bahnstrecke überhaupt war bereits im Jahr 1825 in Betrieb gegangen. Das war allerdings im fernen England, also weit außerhalb des Gesichtskreises der Schwaben. Die hatten zu dieser Zeit auch ganz andere Probleme – etwa den schwelenden Konflikt zwischen dem württembergischen König und den freiheitlichen Burschenschaften oder die schlechte Wirtschaftslage. Außerdem standen in Württemberg viele Konservative der neuen Technik ablehnend gegenüber: Informationen, nach denen das Bahnfahren der menschlichen Gesundheit äußerst abträglich sei, da die hohen Geschwindigkeiten unweigerlich zum Atemstillstand und schließlich zum Tode führten, galten im Schwabenvolk als gesicherte Erkenntnis.
Eisenbahn – leicht verspätet
Erst als die Nachbarländer, das Königreich Bayern und das Großherzogtum Baden, von Mitte der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts an ihre ersten längeren Bahnstrecken fertigstellten, begann man sich auch in Württemberg für die neue Transporttechnik zu interessieren und – auf Initiative von König Wilhelm I. – Pläne für ein staatliches Streckennetz zu schmieden. Schließlich wollte man hinter den ehrgeizigen Nachbarn nicht zurückstehen.
Im April 1843 wurde das württembergische Eisenbahngesetz verabschiedet. Ziel des Gesetzes war, mit insgesamt vier staatlichen Bahnstrecken den Neckar mit der Donau und dem Bodensee zu verbinden sowie das eigene Netz mit den Hauptlinien der Nachbarländer zu verknüpfen. Dahinter standen vor allem finanzielle Interessen. Die Regierung hoffte auf einen regen Transitverkehr, der der künftigen Staatsbahn hohe Einnahmen bescheren und damit Geld in den Staatssäckel bringen würde.
Doch zunächst einmal standen erhebliche Investitionen an. Die in weiten Teilen bergige Landschaft, insbesondere aber die rauhe Alb, die sich quer durch Württemberg zieht und den südlichen Teil des Landes vom Norden trennt, stellte für die Trassenbauer eine große Herausforderung dar. Erschwert wurde die Streckenplanung auch dadurch, daß Hohenzollern damals weit in das südliche württembergische Kernland mit den oberen Flußtälern von Neckar und Donau hineinragte. Trotzdem ging der Ausbau des Schienennetzes zügig voran: 1845 wurde die erste Teilstrecke Cannstatt – Untertürkheim der sogenannten »Zentralbahn« zwischen Ludwigsburg, Stuttgart und Esslingen feierlich eröffnet. Wenige Jahre später waren auch die Nordbahn nach Heilbronn, die Ostbahn über Plochingen und Göppingen nach Ulm sowie die Südbahn zwischen Ulm und Friedrichshafen fertiggestellt. Als »Schwäbische Eisenbahn« bezeichnete man aber nur die Strecke von Stuttgart über Ulm nach Friedrichshafen.
Der Aufwand, den das Land Württemberg zur Verwirklichung seiner ehrgeizigen Eisenbahnpläne betreiben mußte, war enorm: Allein für den Bau des schwierigen Streckenabschnitts am Albaufstieg, der Geislinger Steige, wurden gut 4000 Arbeiter beschäftigt. Am Ende hatte das Königreich rund 27 Millionen Gulden in seine Bahninfrastruktur investiert – was etwa dem Dreifachen des jährlichen Staatshaushalts entsprach. Doch das Geld war gut angelegt, denn mit der Eisenbahn setzte in Schwaben auch die Industrialisierung ein.
Als einer der ersten größeren Industriebetriebe wurde 1846 in Esslingen die Maschinenfabrik Kessler gegründet, die Urzelle der späteren Maschinenfabrik Esslingen. In den folgenden Jahren baute Kessler den Großteil der Dampflokomotiven, die bei der Württembergischen Staatsbahn zum Einsatz kamen. Entlang der Schienentrassen entstanden nach und nach eine ganze Reihe von Fabriken, die per Eisenbahn mit Kohle und Rohstoffen beliefert wurden und im Gegenzug ihre fertigen Güter in alle Teile des Landes und sogar über die Grenzen Württembergs hinaus transportieren konnten. 1853 wurde beispielsweise in Geislingen die Württembergische Metallwarenfabrik (WMF) gegründet oder 1859 in Göppingen die Spielwarenfabrik Märklin. Auch für den Arbeitsmarkt hatte die Eisenbahn eine entscheidende Bedeutung, versetzte sie doch die Menschen in den durch Agrarkrisen verarmten ländlichen Gebieten in die Lage, in den aufstrebenden Industriestädten neue Arbeits- und Verdienstmöglichkeit zu finden. Kurzum, die Schwaben waren mobil geworden.
Während
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