Gebrauchsanweisung für Schwaben
bedeutendsten Hersteller der Welt von Fahrzeuggetrieben. Aus der Motorenbau GmbH Friedrichshafen ging die Motoren- und Turbinen-Union (MTU) hervor, die später unter dem Dach von DaimlerChrysler mit Dornier und Teilen der Firma AEG zur Dasa verschmolzen wurde. Die Dasa wiederum ging im Juni 2000 im europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS auf.
Der Mensch als Vogel
In Baden-Württemberg wurde die Welt also nicht nur auf Räder mit Motorantrieb gesetzt. Schwaben und Badener haben den Menschen auch Flügel verliehen, mit denen sie heute bis in den Weltraum fliegen. Zu den ersten Männern, die sich in die Lüfte wagten, zählte übrigens ebenfalls ein Schwabe: Albrecht Ludwig Berblinger, besser bekannt als »Schneider von Ulm«. Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte der Schneidermeister einen Hängegleiter. Die Ulmer Schneiderzunft war empört und drohte ihm den Rauswurf an, wenn er seine zunftfremde Tätigkeit nicht unverzüglich einstelle. Das hinderte Berblinger allerdings nicht daran, weiter an der Verbesserung seines Flugapparats zu arbeiten. Davon hörte im fernen Stuttgart sogar König Friedrich I. von Württemberg, der dem Schneider spontan 20 Goldmünzen spendete. Doch als der König im Mai 1811 mit seinen Söhnen nach Ulm reiste, um die erste öffentliche Flugvorführung auf der Adlerbastei mit anzusehen, mußte Berblinger wegen technischer Probleme einen Rückzieher machen. Der zweite Versuch am nächsten Tag scheiterte dann an Hektik und an ungünstiger Thermik. Unter dem Gejohle der Menge stürzte der Schneider in die Donau. Vergessen und verarmt starb er 1829 in einem Ulmer Hospiz.
Gut ein Jahrhundert später dichtete Bertolt Brecht: »Die Glocken sollen läuten, es waren nichts als Lügen. Der Mensch ist kein Vogel, es wird nie ein Mensch fliegen, sagte der Bischof den Leuten.« Mit seinem hintersinnigen Gedicht über den »Schneider von Ulm« brachte Brecht die Lebens- und Arbeitsphilosophie der schwäbischen Automobil- und Luftfahrtpioniere auf den Punkt: niemals aufgeben, sondern beharrlich das eigene Ziel verfolgen – seien die Widerstände auch noch so groß. Dann wird es schon gelingen. Danach haben sie alle gehandelt: der Benz und seine Frau Berta, der Daimler und der Maybach, der Professor Porsche und sein Sohn, der Graf Zeppelin, der Bosch, der Eberspächer und der Behr. Und am Ende haben sie alle recht behalten – auch der Schneider von Ulm.
Der in Stuttgart geborene Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel schrieb Anfang des 19. Jahrhunderts in der Einleitung zu seinem Hauptwerk, der »Phänomenologie des Geistes«, daß »diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist«. Der amerikanische Konzeptkünstler Joseph Kosuth hat diesen berühmten Halbsatz Anfang der neunziger Jahre als Leuchtschrift an der Front des Stuttgarter Hauptbahnhofs angebracht. Auch darin spiegelt sich das Selbstverständnis der Technikpioniere aus Württemberg und Baden wider. Denn »Furcht zu irren« hatte keiner von ihnen. Sie haben sich durch nichts beirren lassen. Das machte ihren Erfolg aus.
Sich regen bringt Segen.
Die schwäbische Industrie und ihre religiösen Quellen
Mancher nennt sie heute noch »Fundamentalisten« und denkt dabei an die islamistischen Ayatollahs. Die Rede ist von den schwäbischen Puritanern, den Pietisten, früher einmal »die Stillen im Lande« genannt. Gemeint ist bei diesem Fundamentalisten-Vergleich, der wie jeder Vergleich hinkt, weniger die militante, menschenverachtende Rigorosität als vielmehr die Ernsthaftigkeit, mit der nach der biblischen Heilsbotschaft gelebt, mit der sie verkündet wird. Aber während der strenge Islamist sein Leben, seine Existenz und die anderer am Koran ausrichtet, strebt der Pietist – und diese Gattung evangelischer Gläubiger ist noch lange nicht ausgestorben – nach einem »aus selbst erfahrener Frömmigkeit gestalteten, tätigen Leben«. Wohlgemerkt: kein beschauliches, frömmelndes Leben, das sich nur in der »Gemeinschaft«, in den Betstunden, also »en dr Schtond« verwirklicht, sondern ein tätiges Leben. Ein bißchen schwingt da immer das alttestamentliche Wort aus Prediger 3, Vers 22 mit: »So sah ich denn, daß nichts besseres ist, als daß ein Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit; denn das ist sein Teil.« Aber auch das strenge Verdikt des Apostels Paulus: »… so jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen.«
Je nach Herkunft, Alter, Sozialstruktur und Vermögenslage fühlt sich jeder dieser Menschen von
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