Gebrauchsanweisung für Schwaben
Weltmarktführern in ihrem Segment – wurden.
Ein Beispiel ist die Esslinger Firma Eberspächer. Der von Jakob Eberspächer im Jahr 1865 gegründete Handwerksbetrieb, der zunächst metallgefaßte Dachverglasungen herstellte, begann 1932 damit, Heizgeräte und Schalldämpfer für Fahrzeuge zu produzieren. 1954 lief in Esslingen der millionste Schalldämpfer vom Band. In den siebziger Jahren entwickelte Eberspächer gemeinsam mit Porsche einen Turbolader. Heute gilt die innovative Firma als eine der international bedeutendsten Herstellerinnen von Abgassystemen.
Ein weiteres Beispiel ist die Firma Behr mit Sitz in Stuttgart-Feuerbach. 1905 war Julius Behr in eine bereits bestehende Werkstatt eingestiegen, die sich auf den Bau von Autokühlern spezialisiert hatte. Zwei Jahre später übernahm er das Unternehmen und firmierte es zur »Süddeutschen Kühlerfabrik Julius Fr. Behr« (SKF) um. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschloß sich der erfolgreiche Kühlerhersteller mit Autoheizungen ein neues Geschäftsfeld und rundete es von 1957 an mit der ersten, in Europa gebauten Pkw-Klimaanlage ab – der Bereich Fahrzeugklimatisierung war geboren. Heute ist die einstige Werkstatt auf dem Gebiet des Fahrzeugthermomanagements europäischer Marktführer.
Der Aufstieg von der Garagenfirma zum international bedeutenden Konzern – dieses Erfolgsphänomen ist offensichtlich kein ausschließlich amerikanisches, sondern auch ein typisch schwäbisches, das man vor allem in der baden-württembergischen Automobilindustrie findet. Technische Begabung und Erfindungsreichtum, gepaart mit einer großen Portion Geschäftssinn und dem untrüglichen Gespür dafür, daß Mobilität zu den menschlichen Grundbedürfnissen gehört – all das hat dazu geführt, daß der weltweite Siegeszug des Automobils in Baden-Württemberg seinen Ausgang nahm und heimische Unternehmen davon in ganz besonderem Maße profitieren konnten.
Benzin in den Adern
In der baden-württembergischen Landeshauptstadt und ihrer Umgebung schaffen die Menschen mittlerweile seit Generationen in Autofabriken oder Zulieferbetrieben. Wer heute in diesem Landstrich geboren wird, ist also genetisch schon vorgeprägt, so daß ihm eigentlich gar nichts anderes übrigbleibt, als sein künftiges Leben dem Automobil zu widmen. Und was die Gene nicht schaffen, das besorgt die Muttermilch. Über die nehmen die Kinder die ersten Benzinmoleküle auf, die fortan in ihren Adern kreisen. Die typische berufliche Karriere eines in der Region Stuttgart aufgewachsenen Schwaben führt häufig von der Schulbank aus direkt durch das Werkstor in die Produktionshallen eines der ortsansässigen Unternehmen der Automobilbranche. Andere wählen den etwas längeren Weg über eine technische Universität; einige Jahre später arbeiten sie dann in der Fahrzeugentwicklung oder ziehen in ein Büro in der oberen Etage eines Automobilkonzerns oder Zulieferunternehmens ein.
Geschichte und Gegenwart des Automobils sind untrennbar mit dem Standort Stuttgart verbunden – was sich heute nicht zuletzt auch in zwei architektonisch spektakulären Automobilmuseen am Standort widerspiegelt: in dem Mercedes-Benz-Museum in Bad Cannstatt und dem neuen Porsche-Museum (die Eröffnung ist für Ende 2008 geplant) in Zuffenhausen. Hier wird das, was der Schwabe gemeinhin als »heilig’s Blechle« bezeichnet, auf eine fast schon sakral anmutende Art und Weise in Szene gesetzt.
Längst ist das Automobil mehr als nur ein Vehikel auf vier Rädern, das sich mittels des zur Explosion gebrachten Benzins selbständig fortbewegt und Personen von A nach B befördern kann. Denn neben seiner rationalen Funktion als Transportmittel dient das moderne Auto auch der Befriedigung emotionaler Bedürfnisse: Es weckt Zuneigung und Leidenschaft, drückt unterschiedliche Lebensstile, Individualität und sozialen Status aus, und dazu macht das Fahren auch noch Spaß – wenn man nicht gerade vor dem Autobahnkreuz Leonberg oder am Stuttgarter Pragsattel in einem Stau steht. Außerdem: Wie viele Freundschaften wurden im Auto schon geschlossen, wie viele Ehen angebahnt und Kinder gezeugt? Kein Wunder also, daß die Schwaben das Auto heiliggesprochen haben.
Heutige Automobile sind – anders als die historischen Vorgänger – in der Regel äußerst komfortabel. Der Motor summt selbst bei höheren Geschwindigkeiten leise vor sich hin, die Federung steckt souverän jede Unebenheit der Fahrbahn weg, der Fahrer wie die Mitfahrer sitzen bequem in gut
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