Gebrauchsanweisung für Schwaben
au ganz anderschter seha.«
»Sie sind Württemberger, nicht wahr?« fragte einer zurück.
»Noi, aber a Schwab – ond an was hend Sie des jetzt gmerkt?« antwortete der Fabrikant, und lachte sich halbtot, weil diese alte Geschichte, das erste Mal von einem Tübinger Professor in Frankfurt am Main ausprobiert, noch immer funktioniert. Ja, Württemberger glaubt man schnell orten zu können. Nur versteht man sie so schlecht, und das hat Folgen.
Zum Beispiel in der Popmusik. In den siebziger und achtziger Jahren wurde es in deutschen Landen Mode, Rock ’nRoll mundartlich einzufärben und so für Bodenhaftung zu sorgen. Am Rhein sang Wolfgang Niedecken mit seiner Gruppe BAP »Dat däät joot« – und die Republik jubelte, obwohl sie Kölsch ausschließlich für eine Biersorte hielt. An der Isar machte sich die Spider-Murphy-Gang lustig über die Münchner Schickeria, und selbst in Hamburg war man amüsiert.
Preußen verstehen Bahnhof
Und in Stuttgart? Da sang Wolle Kriwanek, dieser Bluesbarde mit der schwarzen Stimme, von »dr Straßabah«, die er noch »kriaga« müsse: »Bloß dr Fenfr brengt mi hoim.« Und? Die Schwaben sangen das Lied von der damals noch nach Stammheim führenden Linie 5 lauthals mit, doch jenseits der Sprachgrenze verstanden alle Bahnhof. Oder bestenfalls Gefängnis, Vollzugsanstalt, Isolationshaft. Schade. Selbst der Heimatsender kniff, mit Rücksicht auf empfindsame preußische Gehörgänge.
Oder die Literatur. Obwohl die Schwaben einen erheblichen Teil der deutschen Bevölkerung stellen, bekommen sie kaum tragende Rollen in Romanen und Erzählungen. Und schon gar keine, in denen sie schwäbisch babbeln oder bäbbern dürften. Erstens, weil sich die Autoren im Umgang mit den trauten Lauten zu recht unsicher sind. Und zweitens, weil sich Tragisches, Mafiöses und Mörderisches so schlecht in dieser heimelig klingenden Sprache ausdrücken läßt. Schließlich klingt die Drohung »I mach de he« (»Ich bring dich um«) nicht viel gefährlicher als die Ankündigung »I lach me dood«. So nahe liegen Mord und Heiterkeit.
Aus diesem Grund bleibt es, literarisch betrachtet, bei Frau Stöhr, jener Musikersgattin aus Bad Cannstatt, die Thomas Mann in seinem Zauberberg verewigt hat. Laut Hans Castorps lungenkrankem Vetter Joachim Ziemßen war sie »das Ungebildetste, was ihm jemals vorgekommen«. Und warum? Weil sie, die klatschsüchtige und allzeit schlaffe Schwäbin, den Assistenzarzt einen »Fomulus« nannte, von »Desinfiszieren« plapperte und »Sterilett« statt Stilett sagte. Und so weiter. Selbst Thomas Mann traute sich nicht, ihr ein schwäbisches Wort in den Mund zu legen. Er fürchtete wohl, sich zu blamieren.
Sääle und Straßenbahn
Die Frage ist, was denn so schwierig sei an dieser Sprache. Da fällt die Antwort der Sprachforscher ganz einfach aus. Erstens die Vokale, zweitens die Zwielaute; drittens die Konsonanten; viertens der eigene Wortschatz; fünftens das Geschlecht; sechstens die Verkleinerungsformen; siebtens, vor allem im Bereich des Filstales und der Ostalb, ein gewisser Singsang, der schon etwas Ostasiatisches an sich habe. Aber das, bitte schön, ist schon alles.
Nein, wir werden jetzt kein Mundartseminar »Schwäbisch für Reingeschmeckte« auflegen. So etwas kann man in Buchhandlungen kaufen. Aber ein paar Erklärungen sind fällig.
Erstens: die Vokale. Bei e, i und u gibt es wenig Abweichungen von dem, was der Schwabe »Hochdeutsch« nennt. Oder doch? Zumindest früher konnte man die Protestanten und Katholiken im Ländle einfach dadurch unterscheiden, daß man sie das Wort »Seele« aussprechen ließ. Der evangelische Mund sprach, breit schwäbisch, von der »Sääle«, der katholische Gaumen artikulierte ein helles »Seehle«, das für den Protestanten klang wie ein kleiner See. Aber man wußte, woran man war, sogar bei Friedrich Schiller. Der reimte »vermählt« auf »entseelt« und lieferte damit den Beweis für seine evangelische Taufe. Heute meidet die Jugend diese ätherische Materie und spricht lieber gleich von »soul«.
Differenzierter geht es bei den Vokalen a und o zu. Die gibt es nicht nur in einer klaren, offenen Version: wie im Monat April oder am Morgen. Sondern man schätzt, wie in der französischen Nachbarschaft, die nasale Version – und dies mit allen Zwischentönen.
Nehmen wir zum Spaß das A, zum Beispiel im Wort »Mann« oder »Gans«: Das kann, je nach Region, mal daherkommen wie das a im französischen grand, aber auch mal heller, wie
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