Gebrauchsanweisung für Schwaben
der Tee, das gesunde Heißgetränk, bewahrt seinen harten Anlaut. Ähnlich sieht es bei g und k aus: der Klaus wird zwar zum Glauus, aber die Kehrwoch behält, wie der Kuttereimer, den hart knallenden Konsonanten. Hier herrscht der Ernst des Lebens, Pardon: der Ärnschd.
Mit der Theorie kommt man nicht allzuweit. Man muß, wie früher die kleinen Schwabenkinder, zuhören und lernen, frei nach dem Motto von Jakob Wendehals: »Wenn du die Schwaben willst verstehn, mußt du ins Land der Schwaben gehn.« Dann merkt man bald, daß wenige Buchstaben, das a und das h, ausreichen, um fast alles zu sagen. Aha, und zwar mit klaren, offenen Vokalen, sagt auch der Schwabe, wenn ihm ein Licht aufgeht. Benutzt das Kind dagegen nur die beiden, sorgfältig getrennten As mit einem lauten »A-a!«, dann gibt es für Mutter und Vater kein heiteres Haha mehr, dann heißt es das Töpfchen holen oder die Windeln wechseln.
Noch besser wird es, wenn das a mit unserem bereits bekannten Parfum-Schlußlaut genäselt wird. »Ha?« heißt nichts anderes als »Was? Wie bitte?«
»A-ha«, beides genäselt, meint »Ja, gut«. »Ha-a« oder »A-a«, beides doppelt nasaliert, ist das genaue Gegenteil: »Noi«, oder auch gleich ein entschiedenes: »Nein, ums Verrecken nicht«.
Überhaupt kommt man im Schwäbischen oft mit Ein-Wort-Sätzen aus. »Ääba«, also »eben«, sagt man, wenn man einverstanden ist mit der Feststellung eines anderen Sprechers. Wahlweise geht auch »Eijo«. Wer sein Staunen kundtun will, sagt einfach »Hoi« oder »Heidenei!«, »Sabberlodd« und »Hobbla-Thekla«. Großes Erstaunen verbirgt sich hinter Floskeln wie »Sag no!« Oder »Jessas« und »Ui Jessas«. Bei »Schlag me’s Blechle« wird der Schwabe schon ungewöhnlich gesprächig. Da muß in der Tat etwas ganz Außergewöhnliches passiert sein – die Vollsperrung der B 27 oder die Pleite einer Kreissparkasse. Ansonsten aber reicht dieser Wortschatz, angereichert mit einigen »Jaja« und »Soso«, aufgemotzt mit »Jetzt sag!« und abgerundet mit einem zögernden »Ha noi«, für einen kompletten Familiengeburtstag oder wahlweise für eine Stammtischrunde. Nur daß dort manchmal noch ein »Brooscht«, ein Prosit, dazwischen geschoben wird. Wobei das eigentlich »Sehr zum Säga!« heißt – nicht zum Sägen, sondern zum Segen.
Ähnliche Sparsamkeit gilt für viele schwäbische Wörter. Nicht genug damit, daß der maulfaule Sprecher gern Buchstaben ausfallen läßt wie beim Adjektiv »albacha« für altbackenes Brot. Er benützt, je nach landsmannschaftlichem Umfeld, auch die verschiedensten Bezeichnungen für ein und dieselbe Sache. Nehmen wir einmal die schlichte Kartoffel. Fährt also ein mobiler Viktualienhändler durch das Dorf, dann wird er seine Ware mit Rücksicht auf die allgemeine Verständlichkeit neutral ausrufen: »Kaaardoffl«. Die erste Silbe tönt wie ein Fanfarenstoß, die zweite wie das Niesen eines verschnupften Pekinesen.
Das begreift jeder. Doch dann kommt die erste Kundin an den Wagen und fragt, ob die Äbiera, also die Erdbirnen, auch schön seien; die zweite besteht darauf, Krombiera zu kaufen, also Krummbirnen, und ein Hausmann aus dem zweiten Stock wünscht ein Kilo Erdepfl, also Erdäpfel, was dasselbe ist. Derweil rätselt der Verkäufer, wo der Kunde bleibe, der penetrant immer Bodabiera will. Der kommt nämlich aus dem Oberschwäbischen.
Auch bei den Wochentagen herrscht Abwechslung. Zum Beispiel beim Dienstag. Der heißt, vom Honoratioren zum Albbauern aufsteigend, mal Dinschdag, mal Denschtich, mal Daischdich, mal Zaischdich. Aus letzterem lugt der alte Germanengott und Zeus-Vetter Ziu hervor, dem der Tag ursprünglich gewidmet war. Selbst beim schwäbischen Schädel gibt es Varianten. Man hält das Haupt hoch, man denkt mit dem Kopf, aber man haut dem anderen notfalls auf den Deez, auf den Meggl oder gleich auf den Kolben, die Birne oder auf den Grind, der »Grend« gesprochen wird.
Noi! Awa! Heidenei!
Bei der Satzbildung neigt der Schwabe, wenn irgend möglich, zur Knappheit. So der Stuttgarter, der eine überraschende Nachricht nicht mit dem Satz »Na so etwas, das kann ich gar nicht glauben« quittiert, sondern mit dem Ausruf »Awa!«, der für »Ach was« steht. Oder mit dem nur vordergründig paradoxen »Komm, gang mr weg«. So wie jener sagenhafte Tübinger Wengerter, den man einen Gogen nennt (mit dem Grand-Laut!). Als ihn sein Sohn beim Hinaufklettern in den Weinberg mit einer Kopfbewegung auf einen kleinen, herrenlosen
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