Gebrauchsanweisung für Schwaben
nicht den Kern seiner Identität. Die Schwaben und ihre badischen Landsleute wissen, daß sie besser und erfolgreicher sind als andere Volksstämme in deutschen Landen; das kommt sie beim Länderfinanzausgleich jedes Jahr teuer zu stehen. Allein, daß sie daran nicht verzweifeln, beweist, daß sie lebenslustiger, fröhlicher und friedfertiger sind, als andere glauben. Bloß, sie zeigen es nicht so gern. Es könnte ja irgendwer neidisch werden. Und Neid weckt Begehrlichkeiten.
Beliebte Südschiene
So kommt es, daß Stuttgart zwar die beliebteste Großstadt Deutschlands ist und sich die Menschen in Baden-Württemberg am wohlsten fühlen, aber daß diese Erkenntnis für alle Welt und die Schwaben selbst eine große Überraschung darstellt. Nach einer Online-Umfrage »Perspektive Deutschland«, die von der Unternehmensberatung McKinsey, der Wochenzeitschrift »Stern« und dem ZDF durchgeführt wurde, liegen von den 20 beliebtesten der 117 Regionen Deutschlands die meisten in Baden-Württemberg, die anderen in Bayern (wo sonst?). 84 Prozent der Menschen zwischen Hohenlohe und Oberschwaben sind mit ihrem Lebensumfeld rundum zufrieden. Von den Städten liegt Stuttgart in der Beliebtheitsskala ganz oben, noch vor München, Düsseldorf und Hamburg. Und Baden-Württemberg insgesamt zeigt Hamburg und Bayern die Rücklichter.
Weitsichtiger sind sie auch noch, die Schwaben. 61 Prozent halten die bisherigen Reformen im Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktbereich für nicht ausreichend. 83 Prozent sprechen sich für eine bessere Belohnung von Leistung aus, und 54 Prozent plädieren für weniger Staat mit stärkerer privater Risikoabsicherung. Allerdings, bei Gesundheit, Rente und Bildung soll der Staat in die Pflicht genommen werden.
Um das Image des Landes in der restlichen Welt zu verbessern, startete das Land eine große, republikweite Imagekampagne. »Wir können alles, außer Hochdeutsch«, hieß der Slogan. Natürlich stieß er sofort auf Kritik zwischen Bodensee und Kurpfalz. Doch die Kampagne wurde ein Erfolg, sogar als beste Länderaktion ausgezeichnet, da mit Understatement und Witz kokettiert wird, und nicht mit Überheblichkeit.
Das bessere Image der Bayern wird hierzulande inzwischen locker ertragen. Die Bayern haben eben Gebirge und Almen, Biergärten und Lederhosen, Barockkirchen und alle Heiligen. Sie haben einfach nur Glück, erbauliche Lebensumstände, und sie sind vom lieben Gott verwöhnt. Zu guter Letzt kommt jetzt auch noch der Papst aus Bayern, während Württemberg nur mit dem Vatikan-Kritiker Hans Küng aus Tübingen Aufsehen erregte. Und der ist zudem, ganz unüberhörbar, Schweizer.
Entspannen, aber anständig
Da nimmt es nicht wunder, daß sich der Schwabe zum Verlustieren manchmal nach München bewegt. Hierzulande sind die Lust- und Entspannungsquellen immer auch sozial akzeptiert. Es ist halt der »Europapark« im badischen Rust, der zoologisch-botanische Garten »Wilhelma« in Stuttgart oder ebendort das »Leuzebad«. Das mag man, da kann man sich beim Entspannen auch sehen lassen, ohne daß man gleich in eine schlüpfrige Ecke gestellt wird.
Diese Ecke gibt’s zwar auch, aber von Sündenpfuhl kann selbst in Stuttgart nicht die Rede sein. Das »Dreifarbenhaus«, ein schon traditionsreiches Bordell in der Landeshauptstadt, ist beinahe so etwas wie das Müttergenesungswerk für leichte Mädchen. Ob Puffmutter oder -vater, sie versorgen ihre Schützlinge mit Selbstgekochtem, passen auf sie auf, jagen randalierende Freier persönlich vom Hof und kümmern sich um Alltägliches – vom Gesundheitsamt bis zum Finanzamt. Die Russenmafia hat es jedenfalls nicht geschafft, diese Festung der käuflichen Liebe zu stürmen. Wie sagte einst die Bordellbetreiberin: »Meine Mädla möget a ruhig’s Schaffa.« Dabei soll es bleiben.
Dann gibt’s in Stuttgart noch das »Städtle«, den Rotlichtbezirk hinter der Leonhards-Kirche, das auch nicht mehr das ist, was es einmal war. Zwar sind vereinzelt noch einschlägige Bars zu entdecken, aber wenn Manfred Rommel oder sein Nachfolger, Wolfgang Schuster, sagen, sie kämen gerade »aus dem Städtle«, dann unterstellt ihnen keiner, daß sie etwa ein Schäferstündchen hinter sich gebracht hätten. Denn hinter diesem Synonym verstecken sich sowohl die Innenstadt als auch die am Rand gelegene sündige Meile. Hier wie da geht es liberal zu, aber – anders als in Berlin – sehr zivil.
So läßt sich auch die Aufregung der örtlichen Honoratioren verstehen, als der
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