Gebrauchsanweisung für Schwaben
Bierzelt den Taktstock nicht schwingen, er konnte nicht schunkeln wie die »schwarzen« Amtsinhaber, die er beerben wollte. Aber die Schwaben honorierten seine redliche, spröde Haltung nicht. Obwohl selbst nörgelnde Moralisten, möchten sie keinen an der Landesspitze, der ihnen die Traurigkeit des irdischen Daseins, die Mühen der Ebene physiognomisch vorstellt. Nein, der Schwabe will auch Humor, am besten gewitzten Humor, intelligenten Humor, gewürzt mit dem, was er gern auf den Lippen, manchmal auch in seiner Seele trägt:
Liberalismus. Nicht unbedingt pur, schon ein bißchen sozial garniert. Aber dafür gab es stets ein ausreichendes Angebot bei den Liberalen oder Christdemokraten.
Humor als Entschuldigung
Manfred Rommel, der CDU-Mann und Stuttgarter Oberbürgermeister von 1974 bis 1996, war so einer. Mit seinem Witz und seinem Mut zur Selbstironie erzielte er Wahlsiege gegen Rote und Grüne und heimste noch Lacherfolge ein, wo andere in Sack und Asche gegangen wären. Als er einmal stark verspätet vor großem Publikum erschien, begründete er das so: »Seit heute weiß ich, daß Stuttgart eine Großstadt ist. Ich habe nämlich zwei Stunden von zu Hause bis hierher auf den Schloßplatz gebraucht.« Sein Auftritt war nicht in der Zeit, aber dennoch nachhaltig. Das gefällt den Menschen, dafür mögen sie ihn. Oben stehen und sich selbst als Obrigkeit nicht ernst nehmen – das hat fast etwas Antiautoritäres.
Einmal hat Rommel massiven Ärger bekommen, als er 1977 zuließ, daß die RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe auf dem Stuttgarter Dornhaldenfriedhof bestattet wurden. Die aufgeregte Diskussion über diese angebliche politische »Unkorrektheit« beendete Rommel mit einem Satz: »Mit dem Tod endet jede Feindschaft.« Da waren sie wieder ruhiggestellt, die Schwaben. Und die Liberalität war wiederhergestellt. War Rommels Vater Erwin, der Generalfeldmarschall und Held von Hitlers Afrikakorps, ein berühmter Kriegsherr, so ist sein Sohn ein berühmter Zivilist geworden.
Anderen eine Nase drehen
Aufbegehren, anderen eine Nase drehen, das gehört durchaus zu den Eigenschaften der Schwaben. Das galt auch für den früheren Ministerpräsidenten und heutigen Manager Lothar Späth. Als Bietigheimer Bürgermeister führte er angeblich einen Regierungspräsidenten auf eine jungfräuliche Wiese und malte ihm das Projekt, für das er einen höhen Zuschuß brauchte, in den schönsten Farben aus. Der Präsident nuckelte an seiner Zigarre und sagte jovial Unterstützung zu. Was er im Gegensatz zu den begleitenden Journalisten nicht wußte: mit dem Bau des Projekts war längst begonnen worden – an anderer Stelle, und ohne Zusage. Risiko!
Nicht vergessen sei auch Heiner Geißler, der frühere CDU-Generalsekretär und Bergsteiger aus Oberndorf am Neckar. Sein Eigensinn, sein Widerspruchsgeist gingen dem einstigen Kanzler Kohl so auf die Nerven, daß er ihn abservierte. Geißler hat das nicht beeindruckt. Oder Helmut Palmer, der Pomologe und Bürokratenschreck aus dem Remstal und Dauerkandidat bei unzähligen Bürgermeisterwahlen im Land. Bis kurz vor seinem Tod kämpfte er gegen alles, was nach Beamtenstaat und Behördenwillkür roch – und fand dabei viele Anhänger. In Schwäbisch Hall hätten sie ihn fast einmal zum OB gemacht. Inzwischen ist sein Sohn Boris zum Stadtoberhaupt von Tübingen gewählt worden.
Und schließlich: Erinnert sich noch jemand an den Kommunarden und Politclown Fritz Teufel, diesen listig dreinblickenden Kerl aus Ludwigsburg mit der runden Nickelbrille, der Prominente mit Pudding und Zaubertinte attackierte? Dieser Teufel brachte der Kommune I den schwäbischen Ton bei – und wurde unsterblich, als er einem Richter, der ihn vor den Robenträgern aufzustehen hieß, geruhsam entgegnete: »Na ja, wenn es denn der Wahrheitsfindung dient …« Daß Konrad Kujau, der Nichtschwabe und Bilderfälscher aus Bietigheim, seine erfundenen Hitler-Tagebücher für die Illustrierte »Stern« in einem kleinen Schuppen in Stuttgart schrieb, sei nur am Rande vermerkt. Lauter unangepaßte Leute, jeder auf seine Art.
Der Schwabe ist durchaus imstande und läßt auch mal fünfe gerade sein, tritt heraus aus den Reihen der Pfennigfuchser. Als solcher wird er zwar manchmal verspottet, aber so sieht er sich selbst nicht. Für ihn sind das ungerechte Unterstellungen. Gut, er gibt zwar hin und wieder Anlaß zu solcher Etikettierung, kokettiert sogar damit. Aber in Wahrheit trifft es
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