Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrochen

Gebrochen

Titel: Gebrochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeany Lena
Vom Netzwerk:
startete sie. Danach griff er nach dem Brot und richtete sich etwas zu essen. Ich hatte zwar geplant, etwas zu kochen, doch ich sagte nichts. Wenn er schon einmal von sich aus etwas machte, wollte ich ihn nicht bremsen. Zu meiner Überraschung stellte er auch einen Teller mit einem Brot vor mich.
    „Danke“, meinte ich lächelnd. Er reagierte natürlich nicht und das Lächeln fiel mir wieder aus dem Gesicht. Schweigend aßen wir. Leon sammelte die Teller ein und räumte sie in den Geschirrspüler. Danach setzte er sich wieder. Ich wollte ihn schon fragen, weil ich unbedingt wissen wollte, was los gewesen war. Wenn möglich wollte ich ihm ersparen, was auch immer ihm zugesetzt hatte. Bevor ich eine Frage formulieren konnte, hob er kurz den Kopf und warf mir einen kurzen Blick zu. Ich wartete ab, ob er etwas sagen würde.
    „Die sahen mich so…“, setzte er tatsächlich an und brach ab, als fehlten ihm die Worte. Unwillkürlich musste ich lächeln, als ich den Satz ergänzte: „…begehrlich an?“
    Er nickte zaghaft, warf mir wieder einen kurzen Blick zu. Mir war es gar nicht so aufgefallen, doch wenn ich jetzt zurück dachte, stimmte es.
    „Du siehst einfach verdammt gut aus“, stellte ich dann ein wenig hilflos fest. Er reagierte nicht. Nicht gleich. Doch nach einigen Augenblicken verkrampfte er sich wieder. Es konnte doch nicht sein, dass er Angst vor den Passanten hatte?
    „Das braucht dich aber nicht zu ängstigen“, meinte ich vorsichtig. Ich kam mir ziemlich dämlich dabei vor, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass das sein Problem gewesen war.
    „Ich kenne diese Blicke“, flüsterte er. Ich starrte ihn einen Moment an, konnte nicht glauben, dass ich tatsächlich richtig gelegen hatte!
    „Aber vor denen brauchst du trotzdem keine Angst haben. Keiner wird einfach über dich herfallen“, beruhigte ich ihn schließlich. Er reagierte wieder eine Zeit lang nicht, bevor er zaghaft nickte. Ich wusste nicht, ob ihn das überzeugt hatte, doch zumindest schien er meinen Worten Glauben zu schenken. Warum nur, so überlegte ich, reagierte er so extrem? Solche Blicke mussten ihm doch auch schon früher begegnet sein? Andererseits hatten ihn in der Schule auch alle mit Nichtbeachtung gestraft. Konnte es sein, dass ihn die Leute wegen seinem Haarschnitt so anders ansahen? Nein, das war blödsinnig. Schließlich hatte ihn der andere Schnitt, soweit man das als solchen bezeichnen konnte, nicht entstellt. Daran konnte es nicht liegen. Auch der Unterschied zur Schule wurde mir schnell klar. Erwachsene sahen vielleicht nicht unbedingt als erstes auf die Klamotten, so wie es meine Freunde damals gemacht hatten. Sicher sahen sie die auch, aber eben nicht unbedingt vordergründig. Trotzdem müsste er diese Blicke kennen. Es sei denn …
    „Bist du nie rausgekommen?“, fragte ich zaghaft. Eigentlich ging es mich ja nichts an. Doch ich wollte ihn wirklich verstehen. Er schüttelte nur den Kopf.
    Gott im Himmel, das war ja kein Leben, was er gehabt hatte! Von seinem Vater verkauft und praktisch eingesperrt. Erschrocken zuckte ich zusammen, als Leon plötzlich aufstand und die Küche verließ. Verdammt, was war jetzt wieder los? Ich hätte vielleicht doch nicht fragen sollen. Ich musste ihm mehr Zeit geben. Er hatte zumindest drei Jahre blanken Horror hinter sich. Das konnte man nicht in zwei Tagen überwinden. Den ersten hier bei mir, konnte ich nicht zählen, denn da war ja meine Haushälterin über ihn her gefallen. Dieses Miststück!
    Ich stand auf und betrat vorsichtig das Wohnzimmer. Leon saß zusammen gekauert im Fernsehsessel. Als wollte er so wenig Angriffsfläche wie möglich bieten, schoss es mir durch den Kopf. Den Kopf hatte er soweit gesenkt, dass ich nicht sehen konnte, wie er dreinsah. Ausdruckslos vermutlich, wie sonst auch immer. Ich ließ ihn in Ruhe und ging ins Bad. Meine heutige Dusche war schließlich ausgefallen, weil Leon im Bad gewesen war. Da fiel mir ein, dass ich noch einen Spiegel besorgen musste. Das wollte ich gleich anschließend machen. Ohne tat ich mir schließlich schwer mit dem Rasieren. Dabei fiel mir ein, dass Leon gar keine Hygieneartikel hatte. Stirnrunzelnd sah ich in den Schränken nach. Das passte nicht zu ihm, er war immer so gepflegt. Ich würde ihn nachher einfach fragen, beschloss ich und stellte das Grübeln ein. Nach der erfrischenden Dusche zog ich mich also an und ging wieder ins Wohnzimmer. Leon schien sich nicht bewegt zu haben.
    „Brauchst du was? Zahnbürste

Weitere Kostenlose Bücher