Gebrochen
angespannt, wie ich fand, doch er hatte den Blick nicht mehr nur auf den Boden gerichtet. Er sah sich viel eher vorsichtig die Auslagen an. Dabei machte er den Eindruck, das alles noch nie gesehen zu haben. Ich konnte mich nicht beherrschen und fragte leise: „Warst du noch nie in so einem Einkaufszentrum?“
Er schüttelte nur den Kopf, trat näher an eine Auslage heran. Es war ein Juwelier, der Uhren ausgestellt hatte. Ich ging hier immer vorbei, würdigte die Auslage keines Blickes. Außer, ich war auf der Suche nach einer neuen Uhr natürlich. Ich ließ ihm Zeit, schließlich hatten wir keinen Termindruck.
„Die sieht cool aus“, sagte er da und deutete auf eine Uhr. Ich konnte nur nicken, viel zu verblüfft darüber, dass er von sich aus etwas gesagt hatte. Als wäre es ihm in diesem Moment selbst aufgefallen, senkte er beschämt den Kopf und wandte sich ab. Ich könnte mich dafür ohrfeigen, dass ich nichts gesagt hatte. Doch jetzt war es ohnehin zu spät.
Wieder ging er schweigend neben mir her. Nachdem er noch nie einkaufen gewesen war, so hatte ich es zumindest verstanden, steuerte ich einfach das Geschäft an, in dem auch ich meine Sachen kaufte. Ich wollte Leon den Vortritt lassen, doch er blickte nur umher. Also würde wohl ich ihm etwas aussuchen müssen, doch da trat schon eine Verkäuferin an uns heran. Leon spannte sich wieder komplett an, brachte offensichtlich kein Wort heraus. Vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen. Nichts desto trotz, verlangte ich einige Jeans und T-Shirts für ihn. Das sollte für den Anfang reichen. Als die Angestellte damit kam, schob ich ihn unauffällig zu den Umkleidekabinen. Er folgte meinem Druck, auch wenn er dabei komplett verspannt war. Schnell nahm ich meine Hand wieder weg.
„Tschuldigung“, murmelte ich. Er reagierte nicht, verschwand hinter dem Vorhang. Ich schickte die Verkäuferin weg, denn Leon war so schon angespannt genug. Nach kurzer Zeit ging der Vorhang wieder auf und Leon kam in den alten Klamotten heraus.
„Und, passt was?“, wollte ich wissen. Er schüttelte den Kopf, drückte mir die Sachen in die Hand und ging. Stirnrunzelnd brachte ich die Sachen zu der Verkäuferin, die in der Nähe geblieben war.
„Ist leider nichts dabei“, entschuldigte ich mich und beeilte mich, Leon zu finden. Er stand vor dem Geschäft. Kaum trat ich hinaus, marschierte er los. Nicht ganz im Klaren drüber, was los war, ging ich neben ihm her. Er ging direkt zum Auto und setzte sich schweigen hinein. Forschend blickte ich ihn an, als ich hinter dem Lenkrad saß. Jeder einzelne Muskel an seinem Körper schien angespannt zu sein.
„Willst du nach Hause?“, fragte ich vorsichtig, weil ich noch immer nicht wusste, was los war. Er schaffte es, sich noch mehr anzuspannen.
„Zu mir mein ich“, erklärte ich schnell. Er nickte leicht und ich fuhr los. Er entspannte sich nicht, auch nicht, als wir schon in der Wohnung waren. Ich traute mich nicht, ihn darauf anzusprechen. Hilflos musste ich zusehen, wie er wortlos die Decke vom Sofa zog, das Kissen schnappte und sich auf dem Boden einrollte. Wieder machte er den Eindruck eines kleinen Kindes, was noch verstärkt wurde, als er zu schluchzen begann.
Was war nur los? Es war doch nichts vorgefallen? Ich ließ ihn eine Weile alleine, setzte mich in die Küche und machte mir einen Kaffee. Nachdenklich saß ich am Tisch und trank ihn, während ich grübelte, was mit ihm jetzt plötzlich los sein könnte. Ich kam auf keine Idee, bis ich ausgetrunken hatte.
Schade, ich hätte ihm die neuen Sachen gegönnt. In neuen Klamotten würde er sich sicher besser fühlen. Zumindest bei mir war das immer der Fall. Es würde sein Selbstwertgefühl sicher steigern. Da hatte ich eine Idee. Ich sprang auf und ging ins Wohnzimmer. Leon lag nun still. Ob er schlief, konnte ich nicht sagen, doch ich wollte ihn auch nicht ansprechen. Ich setzte mich an den Computer und suchte die Bestellseite eines Versandhandels. Ich suchte ein paar Jeans und T-Shirts aus und setzte sie in mehreren Größen auf den Bestellschein. Dann klickte ich noch die schnelle Lieferung an, damit sollte das Paket schon morgen ankommen. Zufrieden mit mir, wandte ich mich ab. Leon war aufgestanden, ohne dass ich es mitbekommen hatte. Er saß nun zusammen gekauert auf dem Fernsehsessel.
„Kaffee?“, fragte ich zaghaft. Er antwortete nicht, doch er stand auf und ging in die Küche. Unaufgefordert stellte er meine und eine zweite Tasse unter die Maschine und
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