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Gebrochen

Gebrochen

Titel: Gebrochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeany Lena
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nichts, wartete ab, sah ihn nicht an. Tatsächlich zog er sich in Windeseile aus und schlüpfte unter die Decke. Ich machte das Licht aus und drehte ihm den Rücken zu.
    „Gute Nacht“, sagte ich. Keine Antwort. Machte nichts. Vermutlich lag er vollkommen verkrampft unter der Decke. Erstaunlich schnell schlief ich ein.
    Mitten in der Nacht weckte mich ein Schrei und Bewegung im Bett. Erschrocken fuhr ich herum, tastete gleichzeitig nach dem Lichtschalter. Leon saß im Bett, mit aufgerissenen Augen. Sein Atem ging keuchend, die Decke hatte er an die Brust gepresst.
    „Alles ok?“, fragte ich vorsichtig, obwohl die Frage dämlich war. Es war schließlich offensichtlich, dass gar nichts ok war! Er reagierte auch nicht. Doch er schien sich wieder zu beruhigen. Nach einer Ewigkeit wie mir schien, sank er auf das Kissen zurück.
    „Alptraum“, murmelte er und rollte sich zusammen.
    „Geht’s wieder?“, fragte ich hilflos. Ich würde ihn ja gerne trösten, doch ich wusste nicht wie. Wenn ich ihn in den Arm nehmen würde, würde das alles sicher nur schlimmer machen. Leon nickte und mir blieb nichts übrig, als es ihm zu glauben. Ich schaltete das Licht wieder aus und wandte ihm erneut den Rücken zu. Diesmal dauerte es länger, bis ich einschlafen konnte. So hörte ich sein Schluchzen, dass er scheinbar nicht unterdrücken konnte, oder auch nicht wollte. Mir war elend, weil ich nichts tun konnte. Ich konnte nur da sein. Ihm mit meiner harmlosen Anwesenheit Sicherheit vermitteln. Ob das ausreichen würde, wagte ich zu bezweifeln.

    ***

    Als ich am Morgen aufwachte, schlief er noch. Er lag noch immer zusammengerollt. Es war mir ein Rätsel, wie das gemütlich sein konnte. Doch es war zweifellos ein Schutz, dass er sich so klein wie möglich machte. Ich verbot meiner Fantasie, sich auszumalen, warum er diesen Schutz brauchte und stand leise auf. Nach einer Dusche richtete ich das Frühstück. Ich war schon fast fertig, als ich die Dusche wieder hörte. Diesmal nicht so lange, wie vor einigen Tagen. Irgendwie beruhigte mich das, obwohl ich nicht so genau sagen konnte warum. Ich machte den Kaffee, als er hinter mir sagte: „Guten Morgen.“
    „Morgen“, erwiderte ich mit einem fetten Lächeln im Gesicht. Ich liebte den Klang seiner Stimme einfach, vielleicht nur, weil ich sie so selten zu hören bekam. Als der Kaffee fertig war, zwang ich dieses Lächeln aus meinem Gesicht zu verschwinden und wandte mich erst dann um.
    „Danke“, murmelte er, den Blick unvermeidbar gesenkt.
    „Besser geschlafen als auf dem Boden?“, fragte ich, nachdem ich zu Essen begonnen hatte. Er nickte nur, hielt den Blick auf seinen Kaffee gerichtet. Ich unterdrückte mein Seufzen, erinnerte mich daran – wieder einmal – dass er Zeit brauchte. Oder vielleicht war er auch in der Früh nicht so gesprächig. Das würde ich irgendwann heraus finden.
    Nach dem Frühstück räumten wir gemeinsam ab, dann gingen wir ins Wohnzimmer. Leon stand mitten im Raum, ohne sich zu rühren. Verwirrt sah ich ihn an. Was war jetzt wieder? Ich war mir keiner Schuld bewusst, ich hatte brav den Mund gehalten.
    „Darf ich?“, fragte er schließlich zaghaft und deutete auf den Computer, natürlich ohne mich anzusehen.
    „Sicher doch“, stimmte ich zu. Er setzte sich vor den Computer und fuhr ihn hoch. Ich lümmelte mich auf das Sofa und griff nach meinem Buch. Ich war so versunken, dass ich richtig aufschreckte, als es an der Tür läutete. Schnell stand ich auf, warf automatisch einen Blick zu Leon. Vollkommen erstarrt saß er da.
    „Ist nur die Post“, beruhigte ich ihn. Fast sofort wich die Spannung wieder aus seinem Körper. Ich beeilte mich, die Tür unten zu öffnen und wartete dann, dass das Paket hoch gebracht werden würde. Ich nahm es entgegen, unterschrieb und brachte es ins Wohnzimmer. Ich schnitt die Schnüre auf und erst dann blickte ich zu Leon, der konzentriert auf den Bildschirm starrte.
    „Leon?“, sprach ich ihn an. Er zuckte leicht zusammen, drehte sich aber um. Ich nahm das Paket und reichte es ihm.
    „Nachdem das mit dem Einkaufen nicht geklappt hat, hab ich was bestellt. Ich hoffe, es ist dir recht“, erklärte ich. Leon starrte einfach das Paket an. So lange, dass ich schon dachte, dass mir die Arme abfallen würden.
    „Du kannst die Sachen im Schlafzimmer anprobieren“, forderte ich ihn auf. Endlich griff er nach der Schachtel und verschwand damit. Zufrieden lächelnd widmete ich mich wieder meinem Buch. Erneut vertiefte ich

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