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Gebrochen

Gebrochen

Titel: Gebrochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeany Lena
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ich, dass Leon sich mit ihnen verstand und dass sie ihn einfach so nahmen wie er war. Trotzdem reduzierte ich die Besuche, sodass meist eher vier Wochen vergingen. Leon war bei ihnen immer schweigsamer, als ich ihn sonst kannte. Das lag aber sicher nur daran, dass er meine Eltern noch nicht gut genug kannte. Immer wenn das der Fall war, blieb er sehr zurückhaltend. Es war als müsste er erst prüfen, ob die Personen vertrauenswürdig waren. Doch das war in Ordnung. Immerhin erstarrte er nicht mehr jedes Mal, wenn er jemanden Neues sah.

    Ich hatte überlegt, ob wir seinen Geburtstag irgendwie feiern sollten. Doch ehrlich gesagt, traute ich mich nicht wirklich. Ich hatte nicht vergessen, wie er vor drei Monaten auf sein Weihnachtsgeschenk reagiert hatte. Auch wenn es ihm jetzt so viel besser ging. Ich wollte auf keinen Fall, dass er wieder zusammen brach. Ich wollte auch keine andere niederschmetternde Reaktion vor Hannes oder sonst wem provozieren. Daher ließ ich es lieber bleiben.
    Schenken wollte ich ihm aber trotzdem etwas. Mir fiel die Uhr ein, die er sich angesehen hatte, als er das erste Mal im Einkaufzentrum gewesen war. Auch wenn es schon ein halbes Jahr her war, wollte ich sie ihm kaufen. Und eine kleine Torte organisierte ich auch. Immerhin gehörte das dazu.
    Als ich also an seinem Geburtstag nach Hause kam, verschwand ich schnell in der Küche. Leon hatte wie immer nur kurz aufgesehen, als ich gekommen war. Doch es würde nicht lange dauern, bis er nach kam. Es war zu einer Angewohnheit geworden, dass wir immer zuerst gemeinsam einen Kaffee tranken. Also beeilte ich mich, die Torte auszupacken und auf den Tisch zu stellen. Kaum hatte ich das gemacht, betrat er schon die Küche. Gespannt beobachtete ich ihn, doch er sah mich nur verblüfft an.
    „Eine Torte?“, fragte er mich. Ich nickte und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ich wollte ihm schon feierlich gratulieren und das Geschenk hinter dem Rücken hervor holen, als mir einfiel, dass ich vielleicht ein wenig sanfter vorgehen sollte.
    „Was ist los?“, fragte Leon mich. Ich warf meine Bedenken über Bord und reichte ihm einfach das Geschenk.
    „Alles Gute“, murmelte ich dabei und sah ihn weiter forschend an. Er griff zwar nach dem Geschenk, doch er blickte mich fragend an.
    „Zum Geburtstag“, fügte ich deshalb noch hinzu.
    „Oh“, machte er perplex. Dann lächelte er mich an, was ich immer noch viel zu selten zu sehen bekam. Es war nur kurz, bevor er den Blick senkte und das Papier wegriss. Dann starrte er auf die Uhr in seinen Händen. Er nahm es tatsächlich nicht so locker, wie man es bei einem Geburtstagsgeschenk vermuten mochte. Wieder einmal hatte ich ihn richtig eingeschätzt. Ich setzte mich an den Tisch und ließ ihm Zeit. Dabei sah ich, dass Tränen aus seinen Augen traten und leise über seine Wange rannen. Doch schließlich blickte er mich wieder an und sagte: „Danke.“
    Ich lächelte. Immerhin war er nicht zusammen gebrochen. Er setzte sich und nahm die Uhr aus der Schachtel. Fast ehrfürchtig strich er mit den Fingern darüber.
    „Du hast es dir so lange gemerkt“, murmelte er dann und sah mich kurz an. Ich nickte nur, weil er schon fortfuhr: „Ist lange her, dass jemand an meinen Geburtstag gedacht hat.“
    Ich hoffte, dass es keine unliebsamen Erinnerungen weckte, denn das war es, was ich nicht wollte. Doch er schien einfach nur gerührt zu sein, dass ich an seinen Geburtstag gedacht hatte. Erleichtert und erfreut, dass es ihm gefiel, stand ich auf, um die Torte anzuschneiden. Leon erhob sich ebenfalls und machte den Kaffee dazu. Als wir wieder saßen, jeder ein Stück Torte vor sich, sah er mich lächelnd an und sagte noch einmal: „Danke.“
    „Gerne“, erwiderte ich und senkte den Blick schnell auf meinen Teller. Auch wenn dieses Lächeln noch zaghaft und schwach war, ging es mir unter die Haut. Ich durfte niemals vergessen, mich zurück zu halten.

    ***

    Es war knapp drei Wochen später, als es passierte. Leon wurde wieder nervöser. Jeden Tag fiel es mir mehr auf. Er blickte mich nicht mehr an, wenn wir plauderten. Er lachte nicht mehr mit mir. Ich befürchtete, dass ihm irgendetwas zugestoßen war, doch ich glaubte es nicht wirklich. Dafür war die Veränderung zu langsam. Ich rechnete jeden Tag damit, dass er mir sagte, was los war. Doch jeden Tag wartete ich vergeblich, eine ganze Woche und es wurde jeden Tag offensichtlicher. Am Freitag hielt ich es nicht mehr aus. Wir hatten ferngesehen und waren

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