Gedrillt
nach Abschluß seiner Studien in Cambridge erklärte, er wolle Verkehrspilot werden, hatte Frank das nicht sonderlich ernstgenommen. Sein Sohn flog schon seit Jahren auf internationalen Strecken, als sich Frank endlich mit der Tatsache abfand, daß er offenbar seinen eigenen Weg gehen wollte.
»Er ist bei der ärztlichen Untersuchung nicht durchgekommen.«
»Frank, das tut mir aber leid.«
»Ja, für einen Verkehrspiloten ist das ein Todesurteil. Das hat er auch am Telefon zu mir gesagt: ›Das ist ein Todesurteil, Papa.‹ Ich glaube, ich habe erst in diesem Augenblick begriffen, was ihm diese verdammte Fliegerei bedeutete.« Frank befeuchtete sich nervös die Lippen; ich wußte, daß ich der erste war, dem er sich anvertraute. »Fliegen. Das muß doch langweilig sein. Immer wieder das gleiche.« Das natürlich war genau die überhebliche Einstellung, die ihm sein Sohn so übelgenommen hatte und die eine unbezwingbare Wand zwischen ihnen geschaffen hatte. »Keine großartige Karriere für einen Jungen mit einem guten Universitätsabschluß, würde ich sagen.« Er sah mich fragend an, und dann fiel ihm ein, daß ich keinerlei Universitätsabschluß hatte.
»Was wird er nun machen?« fragte ich schnell, um ihm aus seiner Verlegenheit zu helfen.
»Er ist vollkommen fassungslos«, sagte Frank mit einem kleinen Lachen, das die Traurigkeit verbergen sollte, die er angesichts des plötzlichen Endes der beruflichen Laufbahn seines Sohnes empfand.
»Es wird schon alles wieder werden«, sagte ich aufs Geratewohl. »Sie werden einen Job am Boden für ihn finden. Und am Ende sitzt er dann im Verwaltungsrat.« Ich wußte, daß ein solcher öder Verwaltungsposten genau das war, was Frank sich für seinen Sohn wünschte.
»Es gibt zu viele«, sagte Frank. »Zu viele stellungslose Piloten, die nichts können als einen Airbus fahren. Hinter einem Schreibtisch würde er zu nichts taugen, Bernard, das weißt du doch selbst.« Frank hatte weiter zerstreut in seinen Taschen gekramt; endlich brachte er einen Tabaksbeutel aus gelbem Öltuch zum Vorschein. Aus der Brusttasche zog er seine Kirschholzpfeife und blies prüfend hinein, ehe er den Tabaksbeutel öffnete. »Ich weiß nicht, ob das Rauchen hier noch gestattet ist, Frank«, sagte ich.
»Unsinn«, sagte Frank. Er setzte sich und begann, Tabak in den Kopf seiner Pfeife zu stopfen und mit dem Daumen fest anzudrücken.
Klara brachte Franks Gin Tonic. Als sie das Glas auf den Tisch vor ihn stellte, sah sie die Pfeife und sagte: »Hier darf nicht geraucht werden, Herr Harrington.«
»Ach Unsinn!« sagte Frank.
Trotz Franks betörendem Lächeln drohte Klara mit dem Finger und sagte: »Die Pfeife. Die Pfeife ist streng verboten.« Frank lächelte weiter und sagte nichts. Klara sah mich an und zog ein Gesicht, das mich zornig fragte, was wohl Lisl in so einer Klemme tun würde. Dann zuckte sie die Achseln und ging weg. Ich glaube nicht, daß Klara persönlich was dagegen hatte, daß Gäste im Speisesaal rauchten. Sie hatte ihre Pflicht getan, wie Lisl diese bestimmte. Das reichte.
Vielleicht wirkte Klaras Warnung, denn Frank spielte weiter mit seinen Rauchutensilien, zündete sich die Pfeife aber nicht an. Zuerst dachte ich, daß er in Gedanken noch ganz mit dem Mißgeschick seines Sohnes beschäftigt sei, aber es gab da noch was anderes. »Aber ich habe eine gute Nachricht für dich, Bernard«, sagte er.
»Was für eine, Frank?« sagte ich.
»Du bist frei.« Vielleicht zeigte mein Gesicht nicht die Freude, die er erwartet hatte, denn er fügte hinzu: »Frei, nach England zurückzukehren. Man hat alle Anklagepunkte gegen dich fallengelassen. Es wird kein Verfahren gegen dich geben, nicht mal ein Verhör.«
»Ich verstehe«, sagte ich.
»Ich glaube nicht, daß du verstehst, was ich dir sagen will. Man wird alle Anklagepunkte gegen dich fallenlassen.«
»Ich dachte, du sagtest, man habe sie schon fallenlassen.«
»Du bist aber ganz spitzfindig heute.«
»Vielleicht. Aber wie ist es nun?«
Er hustete. War das ein Zeichen von Nervosität, wie die Vernehmungsexperten es deuten würden, oder kam das von dem verdammten Pfeifentabak?
»Es sind nur noch ein paar Formalitäten zu erledigen. Weiter nichts, das kann ich dir versichern.«
»Entweder oder«, sagte ich. »Hat London dich geschickt, mir die Pistole auf die Brust zu setzen?« Ich schaute aus dem Fenster. Der blaue Himmel war nur ein kurzes Zwischenspiel, eine Täuschung gewesen. Es hatte sich wieder bezogen und sah nach noch mehr Schnee aus
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