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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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schleppte er drei von seinen Verwundeten in Sicherheit. Dauernd unter Feuer. Die Russkis hätten ihn erwischt, wenn nicht der Schneesturm die Sicht behindert hätte. Für das Ritterkreuz mit Brillanten oder irgend so ein blödes Kinkerlitzchen vorgeschlagen, hat’s aber nicht gekriegt. Vielleicht hat sich die Geschichte deshalb verbreitet und ihn bei den Soldaten zur Legende gemacht. Ein adeliger preußischer Offizier, der sein Leben wagt, um einfache Soldaten zu retten, hat alles für sich.« Er grinste. »Und hast du einmal so einen Ruf, mußt du dich verdammt anstrengen, ihn zu behalten, stimmt’s? Ich nehme an, er war einer von diesen eisernen Typen, die glauben, daß nichts sie umbringen kann. Wir haben ja selber ein paar von denen gekannt, nicht, Bernard?«
»Und?«
»Er behielt recht. So ist das ja oft bei diesen Typen, stimmt’s? Kleindorf senior überlebte den Krieg und unternahm es, seinen Kommandeur herauszuhauen, der wegen Kriegsverbrechen angeklagt war. Und, verdammt, da fiel ihm auf, daß irgendein Schreibtisch-Zombie der War Crimes Commission »Australian Division« in die Anklageschrift gesetzt hatte, anstatt »Airborne Division«. Und Kleindorf senior erreichte, daß wegen dieses Fehlers das Verfahren eingestellt wurde. Ein schlauer Bursche! Es heißt, daß, wenn er sich nach dem Krieg bei den Treffen seiner alten Kameraden zeigte, die Leute ihm jedesmal gut fünfzehn Minuten zujubelten. Rudi ist im Schatten dieses Vaters aufgewachsen. Ich kann mir denken, daß das Vorbild verdammt einschüchternd gewesen sein muß. Deshalb hat er vermutlich nie von seinem Alten gesprochen.«
»Du weißt aber teuflisch viel über die Kleindorfs«, sagte ich.
»Ich mußte ihn vor ein paar Jahren mal überprüfen. Dabei habe ich die ganzen Akten gelesen, auch die von seinem Vater. Es war irgendwie faszinierend.«
»Ich verstehe jetzt, weshalb Rudi wollte, daß sein Sohn zur Armee ging.«
»Du meinst, um die Familientradition fortzusetzen? Ja, wir sind wohl alle ein bißchen geneigt, andere Leute für das einzuspannen, was wir nicht für unsere alten Herrschaften getan haben, habe ich recht?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich.
Er bedrängte mich nicht, aber als er wieder sprach, beugte er sich leicht vor, um die Wichtigkeit dessen, was er sagte, zu betonen. »Diese Krauts halten zusammen, Bernard. Man kann keine zehn Minuten in Europa sein, ohne das zu merken. Wir könnten was von denen lernen. Stimmt’s?«
Ich hatte keine Ahnung, worauf zum Teufel er hinauswollte, aber ich sagte: »Recht hast du, Harry.« Mein Schwager George beobachtete Harry mit großem Interesse. George war hier der einzige vollkommene Außenseiter, aber er wußte, daß Harry irgendwelche Beziehungen zur CIA hatte. Harry hatte ihm das schon bei ihrer ersten Begegnung geradeheraus gesagt. Damals war Harry sehr eifrig, seitdem war er viel ruhiger geworden. In diesem Augenblick nahm Dicky seine Zigarre aus dem Mund, blies etwas Rauch aus, sah mich an und sagte: »Harry möchte, daß du nächste Woche mal mit seinen Leuten zum Lunch gehst, Bernard.«
»Wirklich?« sagte ich und wunderte mich, weshalb mir Harry dieses kulinarische Rendezvous nicht selber angetragen hatte.
Ich sah Harry an. Er sah Dicky an.
Dicky sagte: »Ich habe gesagt, okay.«
»Heißt das, daß du zu dem Lunch gehst?«
Dicky lächelte. »Nein, Bernard. Die wollen keinen Bürohengst wie mich. Sie wollen einen ehemaligen Mann der Praxis, der ihnen praktischen Rat geben kann.« Er zog eine Fingerspitze über die Lippen, wobei er vielleicht erwartete, daß ich die Gebärde erwiderte.
Vielleicht hätte ich das auch gemacht, aber nun sagte der Feine Harry hastig: »Wir wären wirklich dankbar, Bernie, wirklich.«
Streeply-Cox blickte mich an und dröhnte salbungsvoll: »Wir müssen zusammenarbeiten, wo immer wir können. Das ist das einzig Vernünftige, das einzig Vernünftige.« Er strich Krümel von seinen wallenden weißen Koteletten.
»Sie haben mir das Wort aus dem Mund genommen, Sir Giles«, sagte ich.
»Ausgezeichnet, ausgezeichnet«, erwiderte er.
Dicky sprang auf die Füße und sagte: »Schätze, es ist Zeit, daß wir uns zu den Damen begeben.«
Als ich das Wohnzimmer betrat, schien Daphne gerade einen Tanzschritt vorzuführen, aber sie hielt verlegen inne, als Dicky die Männer hineinließ. Gloria saß neben Tessa und sah auf und zwinkerte mir zu, als sie meinem Blick begegnete. Ich ging zu ihr hinüber, weil ich wußte, daß sie’s von mir erwartete. »Oh, Bernard«,

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