Gefaehrlich begabt
natürlichen Verlauf der Dinge wieder herzustellen. Menschen sollten nicht mit Magie bereichert durchs Leben wandeln. Magie in menschlichem Besitz war etwas, das einfach nicht richtig erschien. Die Rangordnung der Welt sah es nicht vor. Das menschliche Volk hatte sich ihnen zu beugen. Ihnen, den Stärkeren. Die Welt hätte von Magiern regiert werden sollen, von einer starken Familie angeführt. Diesem Urglauben folgte sein Vater schließlich, seit er denken konnte, und er gab ihm recht.
»Wie sollen wir ihn finden?«, fragte Josh in das unbehagliche Schweigen.
»Das brauchen wir nicht. Er wird uns finden.«
Josh lehnte sich entspannt zurück. Seit geraumer Zeit wütete in ihm der Wunsch, seinen Bruder zu töten. Sollte Sebastian doch kommen, er würde es sich zu seiner ganz besonderen Aufgabe machen, diesem Verräter den Tod zu bescheren. Und das, bevor sein Vater ihm die Arbeit abnehmen konnte.
*
Sebastian kämpfte sich durch das Waldgebiet. Er lief nicht annähernd so schnell wie auf dem Hinweg, wenn er auch immer noch ein außergewöhnliches Tempo an den Tag legte. Trübe Gedanken füllten seinen Kopf. Gedanken, die leider der Wahrheit entsprachen. Sie wogen schwer. Die Rettungsaktion im Hauptquartier hatte ihm sehr deutlich vor Augen geführt, wer er war. Ein Magier, ein Mörder. Er war das personifizierte Böse. Eine das Weltgeschehen beeinflussende Grundkraft, die zum Guten in einem antagonistischen Verhältnis stand. Auch wenn sich die Welt nicht bloß in Schwarz oder Weiß teilte, sondern vielmehr grau schimmerte, verschrieb sich ein großer Teil von ihm der Dunkelheit. Das Gefühl, als er die Beiratsmitglieder getötet hatte, konnte er nicht beschreiben. Es hatte sich besser angefühlt als jeder Mord an einem Menschen, und auch besser als der Mord an dem Dämon. So viel Macht hatte er noch nie verspürt, auch wenn er es diesmal geschafft hatte, sich zu kontrollieren. Wie sollte er das ein Leben lang unterdrücken können? Unvorstellbar. Er würde immer eine Gefahr darstellen. Auch für Anna. Sie allein war der Grund, weshalb er tun würde, was er tun musste. Denn mit der Schuld leben, sie in Gefahr zu bringen, konnte er noch weniger als mit seinem unterdrückten Naturell. In dieser Lage und dieser Situation eröffneten sich kaum Möglichkeiten. Er würde helfen, die Welt von seiner Familie zu befreien, und im Anschluss daran musste er sich stellen. Dem Beirat oder wem auch immer, sollte von ihnen niemand übrig bleiben.
Der Laubboden schmiegte sich fast zärtlich um seine Schuhe und gab sie wieder frei. Es war das Gefühl von Freiheit, eine Verbundenheit mit der Natur. Wie immer, wenn er von Magie beflügelt seiner abnormen Schnelligkeit nachkam, schien sich die Welt seinem Willen zu beugen. Normalerweise bescherte dieses Gefühl die Hoffnung, dass seine Existenz vielleicht doch einen Sinn hatte und dass das, was er tat, einen Zweck erfüllte. Heute verspürte er keine Hoffnung. Trostlose Realität fraß sich in sein Herz und sättigte es mit Traurigkeit. Jeder Atemzug kostete Kraft und schmerzte. Es musste ein Ende haben und zum Glück war es absehbar. In solch einem Zwiespalt konnte kein Mensch leben und erst recht kein Magier.
Er blickte auf, als das kleine Jagdschloss vor ihm auftauchte.
*
Marla und Jenny hievten das Beiratsmitglied auf das Bett. Ihre Kraft hätte für keinen weiteren Meter gereicht. Der starke Halbengel hatte sich bereits einmal einen Weg an seine Bewusstseinsoberfläche zurückerkämpft. Marla war sekündlich darauf vorbereitet und es hatte nur eine Atemzuglänge gedauert, bis sich Robert Pearson wieder ins Land der verhexten Träume begab.
»Ich werde ihn in Schach halten, geh und hol die anderen. Es ist an der Zeit, sie aufzuklären, bevor Aldwyn mit den Mentoren zurück ist.« Marla bedeutete ihrer Tochter, sich zu beeilen und Jenny zögerte keine Sekunde.
Für den Fall, dass sie nichts von Anna hörten, mussten sie eigene Pläne verfolgen. Ganz oben auf der Prioritätenliste stand, aus dem schrecklichen Schloss zu verschwinden.
Marla betrachtete das faltige Gesicht des Engländers. Wann war es so weit gekommen? Ob sie schon immer so kalt und berechenbar gewesen waren? Kaum zu glauben, dass sich die Masse aller Talente auf diese Männer verließ. Sie fasste in die Innentasche von Roberts Tweedjackett und beförderte ein kleines Mobiltelefon hervor. Das, was sie vorhatte, musste sie allein erledigen. Die anderen hätten es nicht gutgeheißen. Natürlich nicht.
Sie
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