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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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vor einem Zusammenbruch und außerdem bin ich allein schneller. Ich hab nicht die Kraft, dich wieder zu tragen.«
    Eine dicke Lüge. Sebastian sah nicht halb so erschöpft aus wie jeder andere von ihnen. Eine eisige Hand griff nach Annas Herz. Was war los mit ihm? »Aber wenn du allein gehst …«
    »Ich diskutiere nicht mit dir. Frau Graf, sind Sie meiner Meinung?«
    Er spielte die Mutterkarte aus.
    »Ich weiß zwar nicht, worum es geht, ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, was passiert ist, aber ich muss mich anschließen. Anna, du siehst fertig aus.«
    Keine Frage, sie fühlte sich fertiger als fertig. Aber es kostete mehr Anstrengung, im Wald um seine Rückkehr zu bangen als ihn zu begleiten.
    »Wir sollten erst mal ein Stück gehen«, sagte Sebastian tonlos.
    Anna nahm die Armbrust wieder auf und folgte dem Rest zwischen den Kiefern hindurch tiefer in den Wald.
    Nach fünfzehn Minuten blieb Sebastian stehen. »Das reicht.«
    »Wird uns niemand suchen? Die Polizei oder so?«, fragte Anna. Die Fluchtaktion auf der belebten Hauptstraße konnte doch nicht unbemerkt geblieben sein.
    »Nein, keine Sorge. Die Zeugen sagen schon das Richtige, ich hab dafür gesorgt.«
    Sie nickte, obwohl ihre grauen Zellen nur langsam die Information verarbeiteten.
    »Ich geh jetzt. Klär die anderen in Ruhe auf. Haltet eure Waffen bitte allzeit bereit. Falls ich nicht wiederkomme …«
    Anna nahm seine Hand, bevor er den Satz zu Ende bringen konnte. »Ich weiß nicht, was mit dir los ist, aber du kommst gefälligst wieder. Verstanden? Ich liebe dich.«
    Der Anflug eines Lächelns umspielte seine Gesichtszüge und seine sanfte Miene arbeitete sich für den Bruchteil einer Sekunde an die Oberfläche. »Ich liebe dich auch«, flüsterte er. Er drückte ihre Hand und küsste die Stirn, ehe er in einem Mordstempo zwischen den Bäumen verschwand.

37. Kapitel
    Identitätskrise
    J osh Fingerless betrat den Winkelbungalow. Seine übrige Familie saß nervös am Küchentisch.
    »Er war nicht mehr da, aber die Frau stand eindeutig unter seinem Zauber. Ich habe sie getötet.« Er setzte sich auf einen freien Stuhl und blickte in die ausdruckslosen Mienen seiner Eltern. Dass seine Familie einmal so auseinanderbrechen würde, damit hatte niemand gerechnet. Diesmal, wo jeder von ihnen wusste, wie der Beirat arbeitete und vorging, wären sie zusammen unbesiegbar gewesen. Gezielt hatten sie sich zunächst die starken Talente zu eigen gemacht. Wer hätte sie aufhalten wollen? Wer? Aber das Ableben von Kira und sein wahnwitziger Bruder brachten die Pläne gehörig durcheinander. Mit zwei Spielern weniger im Team und in der Pflicht, jetzt agieren zu müssen, änderte sich die Situation. Der Beirat hatte ganz hinten auf der Abschussliste gestanden, er wäre das Sahnehäubchen ihres Erfolges gewesen. Später, zu einem Zeitpunkt, an dem es vielleicht schon keine Talente mehr in fremdem Besitz gegeben hätte. Sebastian kannte die Pläne der Fingerless, er war mit jedem Gedankengang vertraut. Eine Tatsache, die gefährlich werden könnte.
    Durch eine Ortungsformel, gesprochen von einer entführten Hexe, hatten sie das Versteck des jüngsten Sprösslings ausfindig gemacht. Schade, dass er Sebastian nicht angetroffen hatte. In einem direkten Duell hätte sein vermenschlichter Bruder keine Chance gegen ihn gehabt.
    Jonathan Fingerless zog an seiner Zigarette und blies den Rauch durch die Nasenlöcher. »Ich werde mich persönlich darum kümmern«, sagte das Familienoberhaupt. »Wir werden Sebastian töten müssen. Sich Kiras zu entledigen war das Dümmste, was er je getan hat. Wir brauchen die Del Rossis auf unserer Seite, ihren Zorn können wir uns nicht leisten. Deshalb werden wir sie in dem Glauben lassen, Kira und Sebastian seien im Kampf gefallen.«
    Er hatte den Plan bestimmt sorgsam durchdacht. Josh wusste, dass sein Vater kein Leid bei diesen Worten verspürte, selbst wenn es sich bei seinem nächsten Opfer um sein eigenes Fleisch und Blut handelte.
    Thea Fingerless sah ihrem Mann ins Gesicht, ihr schien es da anders zu gehen. »Jonathan, er ist unser Sohn.« Eine Spur Traurigkeit schwang in ihrer Stimme mit.
    »Nein. Solch einen Sohn haben wir nicht aufgezogen. Er agiert mit den Menschen, diese Schande können wir uns ohnehin nicht erlauben. Antonio Del Rossi wird sich uns anschließen, wenn es darum geht, den Beirat auszuschalten.«
    Thea nickte ihrem Mann zu. Es ging um mehr als um die Familie, dessen war sich Josh bewusst. Es ging darum, den

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