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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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rasendem Herzen und einem Kloß im Hals, der sie hörbar schwerer atmen ließ, schlug sie die Decke zur Seite und richtete sich auf.
    Eva hatte es sich auf ihrem Sessel bequem gemacht. Sie sah aus wie das blühende Leben. Wie konnte jemand, der tot war, derartig lebendig wirken? Annas Trauer vermischte sich mit Angst. Sie beging einen Fehler und bereute, Eva nicht ignoriert zu haben.
    »Es ist schön, dich zu sehen.« Eva lächelte.
    Anna schluckte. Sie bestätigte die Aussage nicht, stattdessen schlich sich eine Träne in ihren Augenwinkel. »Bitte geh weg, ich kann das nicht.«
    »Anna, es ist wichtig, dass du mich anhörst.« Evas Stimme klang verzerrt. Es schien sie anzustrengen, zu sprechen.
    »Ich will das nicht hören. Du bist tot!«
    Evas Stimme zitterte. »Du bist in Gefahr. Vertraust du mir?« Ihre Tante sah sie eindringlich an.
    Natürlich vertraute sie ihr. Sie vertraute Eva wie sonst niemandem auf der Welt. Eigentlich wollte Anna nicht wissen, was sie zu sagen hatte. Unweigerlich nickte sie trotzdem, es geschah einfach.
    »Du musst etwas für mich tun, Anna.«
    »Ich kann nichts mehr für dich tun, es ist zu spät.« Die Endgültigkeit dessen ließ sie aufschluchzen.
    Der Gesichtsausdruck des Geistes veränderte sich, Eva wirkte plötzlich traurig. »Es tut mir leid. Ich wollte dich mit alldem nicht alleinlassen. Aber du musst mir jetzt zuhören, sonst werden noch viele Menschen sterben.«
    »Ich will nicht.« Sie klang weinerlich und trotzig, spielte mit dem Gedanken, sich einfach die Ohren zuzuhalten. Natürlich eine lächerliche Idee. Außerdem wollte sie nicht, dass noch irgendwer starb.
    Evas Blick nagelte sie fest. »Du musst mir deinen Körper leihen, Anna.«
    Ihr Herz zog sich eisig zusammen, Angst brannte sich in den Verstand. Die Gefahr, die den Satz unterschwellig begleitete, hörte sie heraus und hoffte, falsch verstanden zu haben. »Dir meinen Körper leihen?« Anna umklammerte die Bettdecke, dass die Fingerknöchel weiß hervorstachen. Sie glaubte nicht, dass Eva so etwas zu Lebzeiten von ihr verlangt hätte. Was war in sie gefahren?
    »Ich brauche eine Hülle. Etwas Schreckliches bahnt sich an und du besitzt nicht die Kraft, etwas dagegen zu unternehmen. Es muss sein.«
    Marlas Worte hallten in ihrem Gedächtnis nach.
    Magie kann gefährlich sein .
    Das musste die Hexe gemeint haben. Eva verhielt sich nicht wie Eva und Annas Instinkt sagte ihr, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.
    »Ich leihe dir meinen Körper nicht. Verschwinde!« Es fiel ihr schwer, das auszusprechen, aber ihre Stimme klang fester als erwartet. Überzeugt davon, richtig zu handeln, schüttelte sie demonstrativ den Kopf.
    Plötzlich blickte Eva sie feindselig an. Es war ein fremder Ausdruck, Anna kannte ihre Tante nur warmherzig und gutmütig. Die Gesichtszüge jagten ihr eine Gänsehaut über den Körper und ihr Herz schaffte es, den eben erst erlangten Rekord erneut zu brechen. Es trommelte noch eine Spur schneller.
    Wie eine Katze, die ihre Beute belauerte, hielt Eva den Blick auf sie gerichtet. Sie beugte sich in eine angriffsbereite Position.
    Anna überkam der Impuls, wegzulaufen, sie traute sich aber nicht, einen Blick zur Tür zu riskieren. Drei Meter. Wie schnell flog ein Geist? Flogen Geister überhaupt? Sie verwarf die Idee, denn Angst lähmte ihre Glieder.
    Der Winkel, in dem Evas Beine jetzt vom Körper abstanden, wirkte unnatürlich und falsch.
    »Du wirst mich euch helfen lassen. Ich brauche deine Zustimmung nicht.« Eva bleckte die Zähne. Obwohl sie die Worte nur gezischt hatte, klang es, als hätte sie sie geschrien. Bevor Eva zum Sprung ansetzen konnte, handelte Anna intuitiv. Sie schaltete den Verstand aus, griff mit ihren inzwischen schon halb gefrorenen Fingern nach dem Wecker und schleuderte ihn Eva entgegen. Natürlich verfehlte sie das Gespenst, die Uhr zerschellte an der Wand. Aber Eva zögerte und Anna gewann wertvolle Sekunden.
    »Hau ab«, rief sie.
    Die Geistergestalt flackerte kurz auf.
    »Verschwinde, du bekommst meinen Körper nicht!« Anna versuchte, die Tränen wegzublinzeln und schüttelte den Kopf. Die Erscheinung verblasste ein wenig.
    »Anna?« Ihr Vater kam die Treppe heraufgepoltert, das Geschrei hatte ihn geweckt.
    In dem Moment, als er die Tür öffnete, verschwand Eva mit einem letzten Aufflimmern. Keine Spur blieb von ihr zurück. Anna starrte ins Leere und brach weinend auf ihrem Bett zusammen.
    »Was ist denn passiert?« Mit zwei Schritten stand Paps neben ihr und zog sie

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