Gefaehrlich begabt
rasselte damit im Takt. Sie murmelte etwas, aber Anna verstand nicht, was sie sagte. Gespannt beobachtete sie das Geschehen, ihr Anblick animierte allerdings zum Lachen. Sie fühlte sich unweigerlich an die alte Werbung mit den Äffchen erinnert, denn Marla sah aus, als hätte ihr jemand eine Duracell Batterie verpasst.
»Sie könnte auch einfach die Formel aufsagen und ihre Kräuter vermischen«, flüsterte Jenny. »Aber sie hat es gern etwas extravagant.«
Der Sommer nahm den Tag in Beschlag und es fiel schwer, sich vorzustellen, dass es gleich regnen sollte. Der Himmel erstrahlte in einem hellen Blau, sie sah kein Wölkchen am Firmament.
»Seid ihr sicher, dass das funktioniert?«
»Marla besitzt ein starkes Talent. Sie wird es schaffen«, antwortete Sebastian.
Noch immer bewegte sie sich über den Rasen, allerdings sprach sie die Formel inzwischen laut. Ein Luftzug streifte Anna, Wind kam auf. Erstaunt richtete sie den Blick zum Himmel, die anderen taten es ihr gleich. Eine dunkle Wand raste wahnsinnig schnell auf sie zu. Lilafarbene und schwarze Wolken breiteten sich über dem Himmel aus und türmten sich zu gigantischen Luftschlössern auf. Der Wind kühlte spürbar ab, als hätte jemand die Klimaanlage eingeschaltet. Das Ereignis, das sich anbahnte, verwandelte den Himmel auf schaurig-schöne Weise in ein dunkles Farbenmeer.
Marla schien ihrer Formel verfallen, Anna glaubte nicht, dass sie die anderen noch wahrnahm. Irgendwelche Kräuter warf sie hoch in die Luft und ihre Stimme besaß einen rauchigen Nachklang. Ein Blitz durchkreuzte das Himmelszelt und für eine Sekunde spiegelte sich das Licht in den Feldern wider.
Anna zuckte zusammen, obwohl ihr Gewitter sonst keine Angst machten. Sie schaffte es nicht, den Blick abzuwenden. Mit einem Schlag begann es, in Strömen zu regnen. Jenny sprang auf und hüpfte auf die Wiese, lachend drehte sie sich im Kreis.
»Kommt her! Es ist unbeschreiblich schön!«
Der Regen fiel in dicken Tropfen, die aufgeheizten Terrassenfliesen begannen leicht zu dampfen. Marla hörte auf zu sprechen und blieb stehen. Sie reckte die Nase dem Himmel entgegen und ließ sich den Regenguss auf das erhitzte Gesicht prasseln.
»Komm!« Sebastian schwang sich vom Stuhl und ergriff Annas Hand.
Ihre Welt drehte sich augenblicklich und sie stolperte, während er sie eilig hinter sich herzog. Sie schaffte es nicht, sich zu fangen, und fiel zu Boden, ihr Knie schlug an den Fliesen auf. Blut tropfte auf die Terrasse. Sebastian blieb erschrocken stehen.
»Alles okay?« Behutsam zog er sie auf die Füße.
»Nichts passiert.«
Die Welt drehte sich weiterhin und Sebastian gab ihre Hand frei, wohl wissend, dass er es ausgelöst hatte.
»Das war zu viel für einen Tag.« Marla eilte zu ihnen und die Wolkenwand löste sich buchstäblich in Luft auf. »Lasst uns reingehen.«
Sebastian bot ihr erneut die Hand an. »Brauchst du Hilfe?«
Anna schüttelte den Kopf, aus Angst, bei seinem Tempo erneut zu stürzen. Die Tatsache, dass nicht nur seine Geschwindigkeit Schuld an dem Unfall trug, verdrängte sie schnell in den hinteren Teil ihres Kopfes. Mit humpelnden Schritten folgte sie den anderen ins Haus. Der kalte Stoff des Rockes klebte an ihren Beinen und das aufgeplatzte Knie verlor noch immer Blut, das ihr in die Schuhe lief.
»Wir verarzten deine Wunde und ich gebe dir was Trockenes zum Anziehen.« Marla verschwand im Badezimmer und kam mit einem Erste-Hilfe-Set zurück.
Sebastian nahm ihr das Pflasterband ab. »Ich mach das schon, war schließlich meine Schuld.«
Anna setzte sich auf einen Küchenstuhl, Sebastian kniete sich vor sie. Vorsichtig tupfte er das Blut mit einem Tuch von ihrem Knie. Die Wunde sah nicht schlimm aus. Seine kalten Finger berührten ihre Haut. Anna kniff die Augen zusammen. Wieso fühlte sie sich in seiner Gegenwart so schwach und verletzlich? Sie fand keine Antwort auf die Frage. Sebastian betrachtete nachdenklich das rot verfärbte Tuch. Anna hob die Lider und wunderte sich über den Anblick, als er schnell ein Pflaster auf ihr Knie klebte.
»Fertig«, sagte er und fing ihren Blick auf.
Ihn aus nächster Nähe betrachten zu dürfen, machte ihn noch schöner. Er lächelte sie an und erhob sich.
»Ich habe dir frische Kleidung ins Bad gelegt.« Marla deutete ihr mit einer Kopfbewegung den Weg.
Keine zehn Minuten später betrat Anna in Marlas Dress das Wohnzimmer.
»Sebastian fährt dich nach Hause«, sagte Marla.
»Ich nehme die Bahn.« Die Antwort schoss
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