Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 2
sie schläft tief und fest.
„Du auch. B is morgen“, erwidere ich. „Und danke für alles.“
„ Kein Ding“, gähnt sie.
Ich betrete das Sept Roses durch die große Drehtür, stelle mich bei den Nachtportiers als die Neue für den Englisch-Unterricht vor und fahre dann mit dem Personalaufzug in den vierten Stock. Die Personalzimmer haben einen grandiosen Blick in einen kleinen Hof mit Zugang zur Straße, der mehr oder weniger mit Mülltonnen und Müllsäcken vollgestellt ist.
Obwohl ich hundemüde bin und es mittlerweile weit nach Mitternacht ist, kann ich nicht schlafen. Auch nicht, nachdem ich eine Dusche genommen und mir aus der Hotelküche (wo sie auch nachts arbeiten, damit die Gäste rund um die Uhr essen können, wonach ihnen der Sinn steht) ein Glas heiße Milch geholt habe.
Ich bin total überdreht. Ständig geht mir der vergangene Tag durch den Kopf. Einschließlich José Carreras, der ganz fürchterlich sauer auf mich sein wird. Und vermutlich schon wieder darüber nachdenkt, ob ich etwas mit dem Einbruch in der Rue Galilée zu tun habe. Ich hoffe nur, dass der ganze Spuk bald vorüber ist.
Schließlich versuche ich, das Gedankenkarussell zu stoppen, indem ich meinen Laptop starte. Ich sollte endlich wieder an meinem Drehbuch arbeiten. Doch nachdem ich gelesen habe, was ich bisher zusammengeschrieben habe, trete ich an das Hotelfenster, starre auf die Mülltonnen und denke, dass das genau der Ort ist, wo mein Liebesfilm hingehört. Allein die Spanking-Szene verursacht bei mir einen sofortigen und sehr intensiven Brechreiz. Nebst einem Brennen auf dem Hintern.
Das will doch alles kein Mensch im TV sehen! Und im Kino schon gar nicht. Alles viel zu harmlos und langweilig.
Jedenfalls verglichen mit meinem aktuellen Leben.
Um mich nun auch noch von meinem Drehbuch abzulenken, gehe ich ins Internet, logge mich auf der Seite des Instituts ein, bei dem ich den Vaterschaftstest in Auftrag gegeben habe, und ändere die Anschrift, an die das Testergebnis geschickt werden soll. Das ist sowieso nötig. Als die Nachricht „Anschrift erfolgreich geändert“ aufblinkt, blitzt auch etwas in meinen Hirnwindungen auf. Und plötzlich weiß ich, wie mein Drehbuch aussehen muss.
Ich lösche die alte Datei , und zwar gnadenlos, öffne ein neues Dokument und schreibe: „Gefährlich verliebt in Mona Lisa – ein Liebesfilm von Jade Dechamps“. Und dann beginne ich, startend bei Mutters Einladung nach Paris, alle Erlebnisse der vergangenen fünf Tage in Filmform zu notieren.
Ich schreibe die ganze Nacht durch. Eine Szene nach der anderen läuft vor meinem inneren Auge ab und wandert Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort in den Computer.
Als um sechs am Morgen plötzlich das Geklapper auf dem Hotelhof losgeht, hole ich mir aus der Küche eine Thermoskanne mit Café. Danach schreibe ich weiter.
Damit ich nicht vergesse, dass ich um neun im Büro erscheinen muss, richte ich in meinem Mailprogramm einen Weckdienst ein.
Und wieder fliegen meine Finger über die Tastatur. Weiß der Henker, wo sie herkommt, aber ich verspüre eine unbändige Energie.
Als um halb neun der Wecker klingelt, ist mein Drehbuch so gut wie fertig. Mir fehlen nur noch die letzten drei Szenen. Die Story ist längst nicht mehr so zuckersüß und niedlich wie geplant, sondern genauso turbulent wie mein Leben.
Hochzufrieden verstaue ich den Laptop im Schrank und mache mich für meinen ersten Arbeitstag als Englisch-Trainerin fertig.
Um fünf vor neun sitze ic h an meinem leeren Schreibtisch und mache ein freundliches Gesicht.
Ab neun trudelt ein Hotelmitarbeiter nach dem anderen ein. Da ich die Bürotür sperrangelweit geöffnet habe, kommen die meisten Kollegen kurz zu mir rein. Sie sind alle sehr korrekt gekleidet in Anzügen, Krawatte und Kostümen und fragen mit hinter Höflichkeit versteckter Neugier, wer die Neue sei. Sie nennen mir ihre Namen und ihre Funktion, aber nach dem fünften Anzugträger habe ich sie alle vergessen. Ich weiß nur noch, dass sich auf dieser Etage die Buchhaltung, der Einkauf und die Einsatzplanung befinden. Wie ich außerdem erfahre, sind Mel und ich die einzigen Mitarbeiterinnen, die Schulungen durchführen.
Als Mel um viertel nach neun immer noch nicht da ist, komme ich mir langsam etwas blöd dabei vor, auf freundliche Art und Weise Löcher in die Luft zu starren. In Ermangelung jedweder Aufgaben, erhebe mich von dem ergonomischen Bürostuhl und trete an die große Planungstafel mit den vielen bunten
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