Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 2
Magnetklötzchen, die hinter Mels Schreibtisch die halbe Wand einnimmt. Ich bin hoch motiviert hier angekommen und will endlich mit der Arbeit loslegen. Nachdem ich in der vergangenen Nacht fast ein komplettes Drehbuch geschrieben habe, strotze ich nur so vor Zuversicht, dass ich auch das hier schaffen werde.
Eine Viertelstunde später beginne ich zu begreifen, dass die grünen Magnetklötze offenbar bedeuten, dass an diesem Tag KEIN Englischunterricht stattfindet und dass ausschließlich an den Tagen mit den roten Klötzen Lernen angesagt ist. Demnach findet in den kommenden zwei Wochen kein Unterricht statt, was mich dann doch ins Grübeln bringt. Wozu wird hier seit einem halben Jahr händeringend eine Mitarbeiterin gesucht, wenn überhaupt keine Arbeit ansteht?
Natürlich will ich Mel nicht reinreißen, indem ich herumfrage, ob ich eventuell irgendetwas nicht richtig mitbekommen habe. Möglichkerweise hat die Gute ja nach der Modenschau gestern Abend einfach nur verschlafen. Verscherzen möchte ich es mit ihr nicht. Schon gar nicht an meinem ersten Probearbeitstag.
Ich sollte schnell auf mein Zimmer hochfahren und meinen eigenen Laptop holen, um hier im Büro an meinem Drehbuch weiterzuarbeiten. Vielleicht habe ich ja einen richtigen Traumjob ergattert, in dem ich während der grünen Tage tun und lassen kann, was ich will.
Da klingelt das Telefon auf Mels Schreibtisch.
Das hell dudelnde Geräusch geht mir durch Mark und Bein. Mit leicht zittrigen Fingern hebe ich ab.
„Büro von Melanie Miller. Ja de Dechamps am Apparat. Bonjour“, sage ich in leicht fragendem Ton, so wie ich das aus Filmen kenne.
Anscheinend war das gar nicht mal so schlecht, denn ein freundliches „Herzlich willkommen im Sept Roses, Jade Dechamps “ schallt aus dem Hörer.
„Danke sehr“, entgegne ich förmlich. „Mit wem spreche ich?“
„ Jerôme Chabrol. Ich bin für den Laden verantwortlich.“
Ich schlucke. Der Boss . Er klingt zwar unkompliziert, aber was zum Teufel soll ich sagen, wenn er jetzt mit Mel sprechen will. Von mir will er doch sicher nichts.
„ Vielleicht können Sie mir helfen, Jade“, sagt er da und ich drücke meine Schultern nach hinten durch, weil soeben meine Knie vor Aufregung zu zittern beginnen, obwohl ich meinen Job vor wenigen Minuten noch kompetent und strotzend vor Selbstbewusstsein erledigen wollte.
„ Meine Frau hat sich bei unseren Kindern mit den Windpocken angesteckt“, fährt der Boss fort. „Darum bleibe ich bis auf weiteres zu Hause. Heute werden aber die neuen Bilder geliefert, um die ich mich persönlich kümmern wollte. Wie wäre es, wenn Sie das für mich übernehmen? Es hat zwar nichts direkt mit Ihrem Job zu tun, aber wenn es Ihnen nichts ausmacht ...?“
„Meinen Sie die Gemälde in der Lobby, die ausgetauscht werden sollen?“ Vorsichtshalber setze ich mich hin, denn inzwischen zittern meine Knie wie Espenlaub.
„ Wie ich höre, sind Sie informiert. Das gefällt mir. Die alten Bilder wurden bereits gestern abgeholt, die neuen sollen gegen neun Uhr dreißig geliefert werden. Der Künstler begleitet den Transport persönlich. Er ist ein großer, schlanker Typ mit kurzen Haaren. Als ich ihm das letzte Mal begegnete, trug er einen Bart. Ich habe ihn vor wenigen Minuten vorsorglich informiert, dass Sie sich an meiner Stelle um ihn kümmern. Es schien ihn nicht zu stören. Er heißt übrigens Mathis Giraud.“
Ja. Natürlich. Wer zum Teufel sollte mir sonst gleich an meinem ersten Probearbeitstag über den Weg laufen, wenn nicht der, dem ich am allerwenigsten begegnen will. Abgesehen von dem Kommissar und meiner Mutter. Und abgesehen von Clément. Und meinem angeblichen Vater. Und dem Künstler-Detektiv.
„Wie stellen Sie sich mein Kümmern denn vor?“, frage ich vorsichtig.
„Ach, schütteln Sie ihm einfach die Hand und lotsen Sie ihn ins Lobby-Café. Da füllen Sie ihn am besten mit Kaffee ab. Von mir aus auch mit Cognac. Und beruhigen Sie ihn, dass unsere Hausmeister weder Analphabeten, noch Idioten sind und seine Pläne sehr wohl zu lesen verstehen. Ich vertraue Ihnen, Jade Dechamps. Und jetzt gehen Sie los. Danke schonmal. Ich melde mich später wieder. Salut.“
Er legt auf.
Und ich schlucke.
Mathis Giraud. Der hat mir gerade noch gefehlt!
Ich überprüfe den Sitz des rosa Mäntelchens, das ich heute über einer Röhrenjeans, einem einfachen weißen T-Shirt und kombiniert mit den nachtblauen Stiefeletten trage und werfe einen Blick in den kleinen Spiegel der
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