Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 2
Büromitarbeitern ist noch niemand da und so habe ich meine Ruhe.
Ein wenig viel Ruhe.
Es ist so verdammt ruhig, dass ich mich nur schwer konzentrieren kann. Mir fehlt nur noch ein Kapitel, doch so richtig will es nicht fließen. Meine Gedanken schweifen dauernd ab. Zu gewissen Fotos. Darum unterbreche ich die Arbeit und bringe meinen Laptop wieder auf mein Zimmer zurück.
Mangels anderer Ideen beschließe ich, eine Runde spazieren zu gehen, ziehe meinen Mantel über und schnappe mir das iPhone. Da seit meiner Nachfrage nicht gerade viel Zeit vergangen ist, erspare ich es der säuerlich dreinblickenden Babette und mir, noch einmal nach dem Päckchen zu fragen und marschiere gleich durch die Drehtür an die extrem frische Luft.
Ein eisiger Wind pfeift mir um die Ohren. Fröstelnd ziehe ich die Schultern bis an die Ohren, klappe den Kragen meines Mantels hoch und gehe zügig los. Ich habe das Gefühl, dass mir die Finger abfrieren, als ich das Handy hervorziehe, um nachzusehen, ob ich eventuell eine Nachricht erhalten oder einen Anruf verpasst habe. Habe ich. Zwei sogar.
Hast du schon an der Rezeption nachgefragt? Bin leider noch nicht dazu gekommen , lautet die Nachricht von Mathis.
Ich grolle. Spioniert er mir etwa schon wieder hinterher? Ruft er Babette an und fragt, ob ich schon gesichtet wurde, sabbernd nach einem Päckchen? Dieser Irre! Er hätte wenigstens notieren können, wann er denn verdammt noch mal dazu kommt, das Päckchen vorbei zu bringen.
Die zweite Nachricht ist von Mama. Liebste Jade. Morgen ziehe ich um. Meine neue Adresse: Schloss Maigret. Ich bin sehr glücklich. Abgesehen von der Situation zwischen uns. Tausend Küsse, Mama
Das ist ja mal wieder typisch. Treibt ihr Unwesen und macht mir ein schlechtes Gewissen.
Dieses Mal grolle ich nicht nur leise vor mich hin, sondern stoße ein wahrhaft wütendes Grunzen aus. Verdammt und zugenäht! So geht das nicht!
Jetzt hätte ich die richtige Wut im Bauch, um mit dem Joggen zu beginnen. Entsprechend rase ich quasi bei Olivier’s vorbei, die kleine, hübsche Kopfsteinstraße hinunter und biege in den Eiffelturm-Park ein. Wenig später stehe ich unter dem Eisenungetüm. Leider ist mir nicht nach fröhlichem Arme-Hochwerfen, so wie meiner Mutter vor gut 24 Jahren.
Wahrscheinlich haben sie sich im Louvre kennen gelernt und sich dann nach Weihnachten hier getroffen. Ich darf gar nicht daran denken. Eine 18-Jährige lässt sich von einem fast doppelt so alten Typen nach Paris locken. Und schwängern. Wie naiv.
Ich kehre um. Meine Arbeit beginnt gleich. Ich habe mir vorgenommen, immer um neun anzufangen. Dann habe ich, sofern ich um sieben aufstehe, und nach Abzug der Zeit, die ich für die Morgentoilette und das Frühstück brauche, mehr als eine Stunde, um meine Karriere als Drehbuchautorin einzustielen.
Natürlich wurde für mich immer noch kein Päckchen abgegeben.
Dafür wartet Mel bereits auf mich. Nebst einem sehr großen, sehr dunkelhaarigen Mann in schwarzer Stoffhose, eleganten Lederschuhen und einem feinen, seidig schimmernden Rollkragenpullover in Grau.
„ Jerôme Chabrol“, er reicht mir seine sehr große Hand, „wie schön, dich endlich persönlich kennenzulernen. Bonjour.“
Mein Boss.
„Bonjour“, hauche ich. Mann, wirkt der Typ einschüchternd! Er sieht aus wie einer von den Klitschko-Brüdern. Jetzt wundert mich gar nichts mehr. Der kann so locker drauf sein wie er will und trotzdem wagt sich von seinen Angestellten niemand, auf dem Tisch zu tanzen. Ich meine, wenn die Katze aus dem Haus ist.
„Mel hat mir deine Pläne gezeigt. Ich bin einverstanden und auch sehr angetan“, sagt er mit einem schiefen Lächeln im Gesicht. Darauf wird diese Amerikanerin, diese Freundin von Mel, dann wohl reingefallen sein. Beziehungsweise es wird sie überzeugt haben, sogar das Land zu wechseln.
„Danke“, entgegne ich eingeschüchtert, aber zugleich erleichtert. Wäre ich diesem Hotelbesitzer begegnet, bevor ich die Pläne aufgestellt habe, dann wäre ich da ganz sicher nicht so locker drangegangen. Da kann ich ja froh sein, dass es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist.
„Mel hat mir auch gesagt, du wärst richtig gut.“ Seine dunklen Augen ruhen auf mir. Ich fühle mich durchbohrt.
Ich schlucke und sage ein wenig matt: „Danke, Monsieur Chabrol.“ Sehr einfallsreich sind meine Antworten nicht, aber ich habe auch noch nie vor so einem riesigen Typen gestanden. Jetzt weiß ich auch, warum ich es eigentlich vorziehe, in einem
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