Gefährliche Flucht - zärtliche Eroberung
dem Zimmer.
11. KAPITEL
Es schien Madeline, als habe ihr Herz aufgehört zu schlagen. Sie saß da wie erstarrt, unfähig, sich zu rühren, kaum in der Lage zu atmen. Plötzlich ergab alles Sinn. Cyril Farquharson hatte die Wahrheit gesagt. Nun wusste sie, weshalb Lucien so entschlossen gewesen war, sie zu heiraten. Nicht, um sie vor dem Baron zu schützen, wie er immer noch vorgab, sondern ausschließlich, um Vergeltung an seinem Erzfeind zu üben. Sie, die unscheinbare, einfältige kleine Madeline Langley war für den einflussreichen Earl of Tregellas nichts weiter als ein Werkzeug seiner Rache – einer Rache, bei der es nicht um sie ging, sondern um die Frau, die ihn vor Jahren verraten hatte.
Seine Beteuerungen, dass er sie vor Farquharson beschützen wollte, waren samt und sonders Lügen. Wie auch alles andere, was er ihr je gesagt hatte, daran konnte kein Zweifel bestehen. Madeline zwinkerte die Tränen fort, die ihr in den Augen brannten. Sie würde nicht weinen. Nicht wegen Lord Tregellas, den ganz London den Ruchlosen Earl nannte. Sie hatte den Gerüchten nicht glauben wollen; nun war sie eines Besseren belehrt. Nun wusste sie auch, warum er das Bett nicht mit ihr teilte – seine Liebe galt einer Frau, die er lange vor ihr gekannt hatte … dem schönsten Mädchen von ganz Cornwall.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke: Wenn das, was Farquharson über Luciens Verlobte schrieb, stimmte – konnte es dann sein, dass seine Behauptung, Tregellas habe die junge Frau getötet, ebenfalls zutraf? Und dass auch sie selbst in Lebensgefahr schwebte?
Nein. Madeline schüttelte den Kopf. Gleichgültig, wie verletzt und zornig sie war, sie vermochte weder das eine noch das andere zu glauben. Aber wenn Lucien sie tatsächlich nur dem Namen nach als seine Gattin wollte, sollte er genau das bekommen. Sie würde sich nicht mehr vorschreiben lassen, was sie tun durfte und was nicht. Er hatte ihr zugesichert, dass sie ihr eigenes Leben führen könne, und von nun an würde er sein Versprechen einhalten müssen.
Mit gelangweilter Miene tätigte Guy Varington, Viscount Salcombe, seinen Einsatz auf das Ass. Er wartete darauf, welche Karte als nächste gezogen würde, als sich ihm plötzlich die Nackenhaare aufstellten und eine sonderbare Kälte an seinem Rücken hochkroch. Verwundert sah er auf und stellte fest, dass Cyril Farquharson an der gegenüberliegenden Wand lehnte und ihn nicht aus den Augen ließ.
Guy bedachte den Baron mit einem höhnischen Grinsen und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Pharo-Tisch zu. Das Ass wurde gezogen. Er hatte die Runde gewonnen und verabschiedete sich. Obwohl er noch immer ein irritierendes Unbehagen verspürte, durchquerte er den Raum mit der für ihn typischen Lässigkeit und ließ sich in einem der Sessel vor dem Kamin nieder.
„Salcombe …“ In Farquharsons Stimme lag geheuchelte freudige Überraschung. „Genau der Mann, den ich zu sehen hoffte.“
Guy hob den Kopf und sah dem Baron ins Gesicht. „Schon wieder zurück in London, Farquharson? Aber ich vergaß, dass Sie sich ja eine neue Braut angeln müssen.“
Der Schlag hatte offenbar gesessen, denn Farquharsons Wangen nahmen eine ungesunde rötliche Färbung an, obwohl er sich sichtlich beherrschte. „Wie kommen Sie darauf, dass ich die Hauptstadt verlassen hätte? Sie sollten solch albernen Gerüchten keinen Glauben schenken.“ Der Baron setzte sich in den Sessel, der dem von Guy gegenüberstand. „Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Ihnen Gesellschaft leiste?“
Guy lächelte kalt. „Ich gebe Ihnen fünf Minuten, um zu sagen, was Sie zu sagen haben. Für den Fall, dass Sie danach noch hier sitzen, sollte ich Sie warnen. Die Besonnenheit, über die mein Bruder verfügt, ist mir nicht eigen.“
„Fünf Minuten reichen aus.“ In Farquharsons grauen Augen spiegelte sich ebenso viel Abneigung, wie Guy selbst empfand, wenn er den Baron ansah.
„Wie kommt Lady Tregellas in Cornwall zurecht?“
Guys schwarze Augenbrauen schossen in die Höhe. „Hervorragend, nachdem sie meinem Bruder den Vorzug vor Ihnen gab.“
Farquharson knirschte mit den Zähnen. „Mir ist etwas anderes zu Ohren gekommen, Sir. Aber vielleicht ist es das Beste, wenn Sie sich das Beweismaterial persönlich ansehen.“ Mit einem boshaften Grinsen griff er in seine Rocktasche, brachte einen Brief zum Vorschein und hielt ihn Guy hin. Er tat es mit solcher Auffälligkeit, dass keinem der vielen Neugierigen im Raum entgehen konnte, wie das
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