Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
ihre speckigen Hüften und lächelte mich triumphierend an. Da lachen ja die Hühner! Nachsitzen im Kunstunterricht. Wo gab es denn so was? Ich kippte den Stuhl nach hinten, hielt mich mit den Händen am Pult fest und sagte in aller Seelenruhe: »Kein Problem. Mache ich.«
Sie stutzte. Sie hatte sich wohl auf eine Diskussion eingestellt.
Die anderen schwirrten ab. Nora warf mir ein paar aufmunternde Blicke zu, die Prinzessinnenclique kicherte schadenfroh. Solveig blieb an meinem Tisch stehen und legte mir das Blatt mit dem Zeichen hin. »Keine Ahnung, was das Zeichen bedeuten soll«, sagte sie und zuckte mit den schmalen Schultern. »Für mich ist es nur ein R mit viel Verzierung. Wenn man die Striche weglässt, hier, hier und hier, dann ist es einfach ein R.«
»Ein R?«, rief ich aufgeregt.
»Wenn man diesen Strich sich auch noch wegdenkt, dann könnte es auch ein P sein.« Sie zuckte mit den Schultern. »Sorry, dass ich dir nicht mehr helfen konnte.«
»Du hast mir sehr geholfen«, sagte ich. R wie Rick. Das passte. Ich lächelte zufrieden vor mich hin. Wieder ein Puzzleteilchen entdeckt. Jetzt müsste ich nur noch irgendeinen Beweis finden, dass der Englischlehrer mit Laura ein Verhältnis gehabt hatte. Das würde nicht einfach werden. Beate Friedrichs saß an ihrem Lehrertisch und blätterte im Klassenbuch. Dabei zupfte sie an den schweren goldenen Creolen, die ihre Ohrläppchen noch etwas weiter ausleierten. Sie fühlte sich unbeobachtet und ließ den Bauch locker, was ihren Reißverschluss fast zum Platzen brachte. Plötzlich guckte sie hoch und sah, dass ich sie musterte. Sofort zog sie den Bauch wieder ein und giftete: »Was machen Sie da? Starren Sie mich nicht so an.«
»Ich starre nicht. Ich studiere Beispiele für körperlichen Verfall.«
Sie wurde puterrot und stand auf. »Sie machen das fertig. Eher dürfen Sie nicht nach Hause gehen«, herrschte sie mich an.
»Sie aber auch nicht«, murmelte ich. Natürlich hatte ich mich von dieser lächerlichen Drohung nicht beeindrucken lassen. Ein Anruf bei meinem Vater und sie müsste nachsitzen. Ich blieb nur, weil ich nichts Besseres vorhatte. Und im Schulgebäude war ich den Lehrern viel näher als zu Hause. Vielleicht ergab sich da ja noch was, was mich dem Liebhaber von Laura auf die Spur brachte.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte Beate Friedrichs. »Sie rühren sich nicht vom Fleck.« Sie stampfte schnaubend davon. Bevor sie auf den Gang trat, zog sie den Reißverschluss ihres Overalls ein Stück runter, um ihr üppiges Dekolletee noch ein bisschen mehr zu betonen. Hoppla, wen wollte die denn beeindrucken? Ich wartete, bis sich die Schritte entfernt hatten, dann ging ich ebenfalls zur Tür. Die schwarze Pellwurst verschwand um die Ecke. Ich hinterher. Das Gebäude war eigentlich ganz übersichtlich gebaut, nur der erste Stock verwirrte mich. Jedes Mal dachte ich, rechts rum ginge es zur Treppe, dabei führte es rechts rum zu dem Gang mit den Musikräumen, der eine Sackgasse war, weil am Ende die Wand der Aula lag, die sich über das Erdgeschoss und den ersten Stock erstreckte. Diesen Weg schlug meine Kunstlehrerin ein und ging ohne zu zögern in einen der Musikräume, dessen Tür nur angelehnt war. Aha, dachte ich. Mir fielen die Blicke wieder ein, die sie Pascal von Cappeln bei der Gedenkfeier zugeworfen hatte. Ich ging ein paar Schritte näher, genauer gesagt, bis vor die Tür, und hörte die Friedrichs sagen: »Pascal, ich will doch nur mit dir reden.«
Er murmelte etwas, das ich nicht verstand.
»Warum können wir es denn nicht noch mal versuchen?«, sagte sie flehentlich. Er war wieder so leise, dass ich es nicht verstand.
»Aber ich dachte, es wäre Schluss mit der kleinen Schlampe«, sagte sie und ihre Stimme wurde schrill. Holla, die Schulfee! Das Nachsitzen hatte sich jetzt schon gelohnt.
»Ich nenne sie, wie ich will«, brauste Friedrichs auf. Meine Güte, hatte die Frau ein durchdringendes Organ. »Aber du weißt, dass ich dich immer noch liebe.« Jetzt wurde Pascal doch mal laut. »Lass mich endlich in Ruhe«, rief er.
Die Antwort von Beate Friedrichs ließ mir die Ohren klingeln. »Bin ich dir zu alt, ja?«, höhnte sie. »Lässt du jetzt nur noch Minderjährige in dein Bett oder was? Du geiler alter Bock.«
Das schien mir eine Art Schlusswort zu sein, jedenfalls konnte ich mir nicht vorstellen, dass auf Pascals Seite noch Bereitschaft zum Gedankenaustausch vorhanden war. Ich raste zurück in den Kunstraum, setzte mich an
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