Gefährliche Intrigen
gnadenlos mit seinem Kreuzverhör, und Emma fragte sich, ob er irgendetwas ahnte, denn die nächsten Fragen bezogen sich auf ihre Zeit in Stainton Hall: Warum sie sich so lange dort aufgehalten hatte, wie sie überhaupt dorthin gekommen war, und – was ihm am Wichtigsten schien - ob sie etwa mit Lord Torrington allein gewesen war. Emma war so überrumpelt, dass sie einfach erklärte, sie könne sich an nichts mehr erinnern, sie müsse wohl ohnmächtig gewesen sein, denn als sie erwachte, habe sie sich schon in Stainton Hall befunden.
Während des ganzen Gesprächs hatte Onkel Wilbour ihr noch nicht einmal einen Stuhl angeboten, und nach jeder ihrer Antworten betrachtete er sie schweigend, so als müsse er erst überlegen, ob er mit ihren Ausführungen zufrieden war. Schließlich fragte er noch:
»Was erwarten die Herrschaften Torrington denn nun von mir für ihre Hilfe?«
Emma, der nun der Kragen platzte, schlug wütend mit der Faust auf den Schreibtisch:
»Diese Herrschaften, liebster Onkel, haben mir das Leben gerettet. Dafür können sie meinetwegen fordern, was immer sie wollen. Ich werde diese Forderung dann gerne begleichen! Aber soweit ich das beurteilen kann, war ihre Hilfe und Gastfreundschaft eine Geste der Nächstenliebe, und ich glaube kaum, dass der Earl von Dorset es nötig hat, mir eine Rechnung zu schicken!«
Wütend funkelte sie ihren Onkel an und stemmte die Hände in die Seiten.
»Außerdem habe ich durch mein Erbe beachtliche Mittel zur Verfügung, und ihr werdet keine einzige Rechnung für mich begleichen müssen!«
Ein bedrückendes Schweigen hing in der Luft, und das einzige Geräusch in der Stille war das Ticken der großen Standuhr hinter ihrem Onkel. Langsam kam Wilbour um den Schreibtisch herum, dabei sein Monokel polierend. Er sah fast genauso gut aus, wie Emmas Vater Robert es getan hatte, doch der humorvolle Zug im Antlitz ihres Vaters hatte sein Gesicht erleuchtet. Wilbour fehlte dieser Zug, und er sah verbittert und erschöpft aus.
»Da täuschst du dich, werte Nichte. Der Verwalter deines Erbes bin ich bis zu dem Tag deiner Hochzeit. Das heißt, dass ich jede deiner Rechnungen in die Hände bekomme und auch begleiche. Einer Frau darf man eine solche Verantwortung nicht so einfach übergeben! Jede Ausgabe muss vorab von mir genehmigt werden, ist das klar?«
»Aber …«
»Kein aber! Du erhältst von mir eine monatliche Apanage, über die du nach deinen eigenen Wünschen verfügen kannst. Die Kosten, die mir und deiner Tante durch dich entstehen, werde ich mir selbstverständlich von deinem Erbe ersetzen. Der Rest bleibt hier in Verwahrung!«
Emma konnte nicht glauben, was sie da hörte. Gerade als sie widersprechen wollte, fuhr ihr Onkel warnend fort:
»Solange du in meinem Haus lebst, wirst du mir gehorchen! Ich dulde keinen Widerspruch! Sonst wirst du die Konsequenzen deines Handels tragen müssen!«
Emma konnte nur noch ungläubig den Kopf schütteln. Onkel Wilbour war aber noch nicht am Ende.
»Damit kommen wir auch schon zu den Hausregeln. Du wirst das Haus oder das Anwesen nicht ohne meine Erlaubnis verlassen. Wenn du eine Nachricht versenden möchtest, muss ich darüber Bescheid wissen. Außerdem ist deine Tante gesundheitlich angegriffen, falle ihr also nicht zur Last. Und halte dich vom hinteren Flügel des Hauses fern! Du hast dort nichts verloren. Nun geh, ich habe zu tun.«
Nach diesem schrecklichen Gespräch verkroch sich Emma zwei Tage lang in ihrem Zimmer. Die Trauer um den Verlust ihrer Familie kam von Neuem in Emma hoch. Sie fühlte sich so unwillkommen und allein gelassen wie nie zuvor. Und sie vermisste Logan. Jede Nacht erwachte sie zitternd vor unerfüllter Leidenschaft und brennender Sehnsucht nach dem Mann ihres Herzens. Und morgens war ihr so übel dass selbst ihre Zofe Liz begann, sich Sorgen zu machen, als Emma sich weigerte etwas zu essen. Um ihre Herrin auf andere Gedanken zu bringen, drängte sie Emma deshalb dazu, einen neuen Versuch zu unternehmen, sich mit ihrer Tante anzufreunden.
»Mylady, Ihr könnt doch nicht den Rest Eures Lebens hier im Zimmer bleiben. Als ich das Frühstück geholt habe, saß Lady Davelle im Salon und bestickte ein Kissen. Vielleicht solltet Ihr Eurer Tante dabei Gesellschaft leisten.«
Emma dachte kurz über diesen Vorschlag nach und stimmte dann ihrer Zofe zu. Schüchtern ging sie die Flure entlang, und es kam ihr so vor, als gäbe es im ganzen Haus keinen einzigen Bediensteten. Niemand lief ihr über den
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