Gefährliche Intrigen
passiert? Wie sieht Euer Kleid nur aus!«
Emma setzte sich auf und sah an sich hinunter. Nasser Sand klebte in der feinen Stickerei, und schmutzige Flecken überzogen den ganzen Saum. Ein neuerlicher Weinkrampf schüttelte Emma, und sie schlug sich die Hände vors Gesicht. Liz trat vorsichtig näher, legte ihrer jungen Herrin die Hand auf die bebende Schulter und streichelte behutsam Emmas Rücken.
»Beruhigt Euch doch. Erzählt mir, was passiert ist. So manches verliert seinen Schrecken, wenn man mit jemandem darüber gesprochen hat.«
Die sanften Worte gaben Emma neuen Mut. Liz hat recht, dachte Emma und rutschte ein Stück, damit sich ihre Zofe auf die Bettkante setzen konnte.
»Ich wollte gerade von meinem Spaziergang am Strand zurückkehren, da stürzten plötzlich einige dieser riesigen Felsen von den Klippen herunter und verfehlten mich nur knapp.«
Liz riss erschrocken die Augen auf und drückte die Hand ihrer Herrin ganz fest.
»Oh Gott, das ist ja schrecklich. Euch ist aber doch nichts passiert, oder?«
Sie musterte Emma nun mit besorgtem Blick.
»Nein. Ich konnte mich gerade noch zur Seite werfen. Aber was dann passiert ist, das macht mir wirklich Sorgen!«
Emma hatte in Liz eine gebannte Zuhörerin gefunden.
»Was ist denn passiert?«, flüsterte das Mädchen ängstlich.
»Oben auf den Klippen stand jemanden.«
»Und der kam und hat Euch gerettet!«, jubelte Liz.
»Ganz im Gegenteil! Die Person hat einfach nur zu mir herunter gestarrt! Sie stand genau an der Stelle, an der sich die Felsen gelöst hatten. Vor lauter Regen und Sand in den Augen konnte ich das Gesicht nicht sehen. Außerdem glaube ich, hatte er eine Maske vor dem Gesicht.«
Liz konnte das Ganze nicht recht glauben:
»Was sollte denn ein maskierter Fremder bei diesem Wetter hier zu schaffen haben?«
Doch Emma war sich sicher:
»Er hat mir keine Hilfe angeboten. Warum? Ich hätte schließlich verletzt sein können! Ich glaube sogar, dass diese Person etwas mit den herabstürzenden Steinen zu tun hat!«
Emma war nun ganz aufgebracht. Sie lief im Zimmer auf und ab, und schließlich traf sie eine Entscheidung.
»Liz, ich glaube, ich bin in Gefahr! Ich werde meinen Onkel informieren. Er mag vielleicht merkwürdig sein, aber es ist seine Aufgabe, mich zu schützen! Vielleicht kennt er ja auch die Person, die ich heute an den Klippen gesehen habe!«
Damit begab sie sich auf die Suche nach ihrem Onkel.
»Onkel Wilbour. Darf ich dich einen Moment stören?«
Emma hatte ihren Vormund im Salon angetroffen, wo er in einem dicken Buch blätterte.
»Nur zu!«, forderte er seine Nichte zum Eintreten auf. Plötzlich war sie sich ihres ruinierten Kleides bewusst und strich nervös mit den Händen über den Stoff. Sand rieselte auf den Teppich.
»Mach hier nicht so einen Dreck!«, wies ihr Onkel sie zurecht.
»Was möchtest du mit mir besprechen?«
Emma nahm schüchtern auf dem Sofa Platz und erzählte, was sich zugetragen hatte. Am Ende fragte sie:
»Wer könnte das gewesen sein? Hattet Ihr vielleicht Besuch?«
Wilbour funkelte seine Nichte wütend an.
»Denkst du etwa, ich hätte etwas mit der Sache zu tun? Bist du deshalb zu mir gekommen? Um mich zur Rede zu stellen?«
Emma fuhr erschrocken zusammen. Er hatte sie völlig falsch verstanden.
»So habe ich das nicht gemeint, Onkel!«
»Nun gut. Ich habe jedenfalls niemanden gesehen. Ich habe das Haus den ganzen Tag noch nicht verlassen. Aber keine Sorge, ich werde der Sache nachgehen. Allerdings denke ich, dass du ihr zu große Bedeutung beimisst. Ständig stürzen dort Steine in die Bucht. Und in der Regel tun sie das ganz ohne menschliches Zutun.«
Einen Moment noch sah er Emma direkt in die Augen, ehe er sich wieder in sein Buch vertiefte. Emma wünschte ihm noch eine gute Nacht und machte sich auf den Weg zurück in ihr Zimmer. Im Flur war es zugig und kühl. Sie war schon fast am Fuß der Treppe, als sie wütendes Hundegebell hörte. Es schien aus dem hinteren Teil des Hauses zu kommen. Emma horchte. Da kämpften doch Tiere miteinander! Eilig folgte sie den Geräuschen. Sie öffnete eine Tür und stand in einem völlig leeren Raum. Es gab keine Möbel, keine Bilder oder Vorhänge. Verwundert hielt sie kurz inne. Dann schloss sie leise die Tür und schlich weiter. Es musste hier irgendwo sein. Erneut bellte ein Hund! Die nächste Tür war nur angelehnt, und Emma drückte behutsam dagegen. Auch dieser Raum war nahezu leer. Nur ein mit Tüchern abgedeckter Flügel stand
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