Gefährliche Intrigen
Weg, und als sie schließlich ihrer Tante gegenüber auf einem Sessel Platz genommen hatte, kam auch niemand, um ihr ein Getränk anzubieten.
»Guten Morgen, Tante Alvina«, versuchte sie ein Gespräch zu beginnen.
Ihre Tante beendete ihren Stich und hob freundlich lächelnd den Kopf. Zu ihren Füßen lagen die zwei kleinen Terrier Bess und Bonny und schliefen.
»Emma, wie schön Euch zu sehen. Seid Ihr wohlauf? Ihr seht sehr blass aus.«
Besorgt runzelte sie die Stirn.
»Danke, mir geht es gut. Ich habe mich nur noch nicht ganz eingelebt.«, beschwichtigte Emma ihre Tante.
»Du solltest nicht den ganzen Tag in Zimmer sitzen. Frische Luft wirkt manchmal Wunder.«
Emma wollte nicht schon wieder alleine sein, darum fragte sie:
»Das wäre schön. Wollt Ihr mir vielleicht etwas die Gegend zeigen?«
Ein leidender Ausdruck legte sich auf Alvinas Gesicht. Mit ihren schmerzenden Gelenken könne sie unmöglich bei diesem Klima nach draußen gehen. Enttäuscht bat Emma dennoch ihren Onkel um Erlaubnis und war froh, als sie endlich die stickigen Mauern hinter sich gelassen hatte. Ein eisiger Wind blies vom Meer her, und weiße Gischt schäumte auf den herandonnernden Wellen. Eine in den Stein gehauene Treppe wand sich die Klippen hinunter. Vorsichtig stieg Emma hinab. Die Bucht lag verlassen vor ihr, und in den steil aufragenden Felsen nisteten unzählige Vögel. Der Sand war weich, und ihre Fußabdrücke wurden hinter ihr von den Wellen weggespült. Tante Alvina hatte recht gehabt. Es ging ihr schon viel besser. Sehnsuchtsvoll blickte sie über das tosende Meer. Irgendwo hinter dem Horizont lag Frankreich und dort - so weit von ihr entfernt - war auch Logan. Ob er auch manchmal an sie dachte?
Emma versank in Gedanken. Ihre momentane Situation sagte ihr überhaupt nicht zu. Unter diesen Umständen im Haus ihres Onkels leben zu müssen, konnte sie unmöglich auf Dauer ertragen. Doch es schien nur eine Lösung für dieses Problem zu geben: Eine Heirat. Allerdings kam diese Lösung für Emma keinesfalls infrage, denn ihr Herz gehörte Logan Torrington. Sie seufzte. Logan hatte nicht den Eindruck erweckt, als suche er eine Frau. Und selbst wenn. Er hatte zu Lady Roxana gesagt, er empfände für sie keine anderen Gefühle als einem Mündel gegenüber. Andererseits küsste man normalerweise sein Mündel nicht so leidenschaftlich, oder?
Emma hatte sich inzwischen - tief in Gedanken versunken - schon weit vom Haus entfernt. Gerade, als sie kehrtmachen wollte, setzte leichter Nieselregen ein. Ein Blick in den Himmel zeigte ihr, dass es in Kürze richtig losregnen würde. Emma beschleunigte ihren Schritt. Direkt unterhalb der Klippen blieb der Sand trocken, und Emma eilte schnell unter diese natürliche Überdachung aus überhängenden Felsen. Sie wollte weder völlig durchnässt werden noch ihr schönes, neues Kleid ruinieren. Doch die Felsen vermochten sie nicht völlig vor den Elementen zu schützen: Immer wieder blies ihr der böige Wind Sand in die Augen. Atemlos blieb sie einen Moment stehen und versuchte abzuschätzen, wie weit es noch zu der Treppe war, die die Klippe hinaufführte. Direkt vor ihr rieselten einige kleine Steinchen herab. Irritiert hob Emma den Kopf. »Ein Felsrutsch!« Mit einem spitzen Schrei sprang sie vor den herabstürzenden Felsen davon in Richtung Wasser. Sie stürzte schmerzvoll auf ihre Knie und robbte noch einige Meter im Sand aus dem Gefahrenbereich. Das war knapp gewesen! Emma sah sich um. Nur wenige Zentimeter von dem Platz entfernt, an dem sie sich eben noch den Sand aus den Augen gerieben hatte, waren unter lautem Getöse einige riesige Felsbrocken herunter gekracht. Emma zitterte am ganzen Körper. Sie rappelte sich hoch und blickte die steile Felskante hinauf. Oben an der Klippe stand reglos eine schwarze Gestalt. Blitzschnell drehte sie sich um und verschwand aus Emmas Blickfeld. Konnte das ein Zufall gewesen sein? Emma bekam eine Gänsehaut. Vielleicht hatte Logan ja wirklich recht gehabt mit seiner Geschichte. Ach was, sie sah mit Sicherheit nur Gespenster.
Trotzdem verlor Emma nun keine Sekunde mehr, sondern rannte durch den strömenden Regen zurück ins Haus. Zitternd und völlig außer Atem erreichte sie ihr Zimmer und warf sich schluchzend aufs Bett. Ihre überreizten Nerven gingen nun völlig mit ihr durch. Erschrocken über das hemmungslose Schluchzen ihrer Herrin, versuchte Liz ihr so gut sie konnte Trost zu spenden.
»Scht, Mylady. Ganz ruhig. Alles wird gut. Was ist denn
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