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Gefaehrliche Kaninchen

Gefaehrliche Kaninchen

Titel: Gefaehrliche Kaninchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten John
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wäre sein Vater dran gewesen. Und das darf auf keinen Fall passieren.
    »Es bin eigentlich nicht ich, der das Problem hat. Nicht so richtig. Aber ein bisschen schon«, quasselt er also drauflos.
    Sein Vater lächelt milde. »Und was ist das für ein Problem, das dich nicht direkt, aber indirekt betrifft?«
    So kann man es natürlich auch ausdrücken. »Leonies Eltern werden von ihren Nachbarn gemein behandelt. Und sie können sich nicht wehren.«
    »Inwiefern?«, fragt seine Mutter und zieht die Augenbrauen hoch. Ohne ihre schwarze, eckige Lesebrille kommen ihre Augen viel besser zur Geltung, findet Max. Und sie sieht auch nicht mehr so streng aus.
    Doch das ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um über die Brille seiner Mutter nachzudenken. »Der Nachbar klaut ihnen die Zeitung. Jeden Morgen. Lukas hat’s gesehen.«
    »Und wer ist Lukas?«, will sein Vater wissen.
    »Lukas ist Leonies Bruder. Und der andere Nachbar, also der behält alle Bälle, die wir aus Versehen rüberschießen. Und er hat Georg eine ›finstere Gestalt‹ genannt.« Georg hat das im Übrigen nicht schlimm gefunden, sondern mehr als Kompliment angesehen, aber darum geht es jetzt nicht.
    »Wer ist Georg?«, fragt seine Mutter.
    »Leonies anderer Bruder.«
    »Beleidigung, Nötigung, Diebstahl einer allerdings geringwertigen Sache«, zählt Max’ Vater auf. »Das ist nur ein Bagatelldelikt.«
    Max ist kurz aus dem Konzept gebracht. »Wie auch immer«, fährt er dann fort. »Aber die Nachbarn haben eine Unterschriftenliste gemacht und wollen Leonies Familie vertreiben.«
    Max Vater pfeift durch die Zähne.
    »Und Issa kann schon gar nicht mehr schlafen und die Zwillinge trauen sich nicht mehr aus dem Haus, und Tristans Noten werden immer schlechter und …« Er hält inne. Mehr fällt ihm nicht ein. Natürlich ist das maßlos übertrieben, aber so hat er es mit Leonie besprochen. Sie wollen die Sache dringender machen und absackende Schulnoten sind für Eltern das Alarmsignal Nummer eins. Dann nehmen sie die Dinge erst richtig ernst.
    »Wer sind denn all diese Menschen, diese Isa und alle anderen?« Max’ Mutter stochert mit der Gabel kleine Löcher in ihren Pfannkuchen, durch die der schleimige Teigrest ablaufen kann.
    »Issa«, verbessert Max. »Das sind ihre Geschwister. Leonie hat vier Brüder und eine Schwester. Aber sie sind nicht alle echt.« Schnell umreißt er die Familienzusammenhänge für seine Eltern.
    »Na ja, sechs Kinder …«, sagt seine Mutter, die Lochstecherin.
    »Das ist kein Grund, eine Familie zu schikanieren«, erwidert sein Vater.
    »Das sage ich ja auch gar nicht.« Max’ Mutter blitzt ihn an. »Ich sage nur, dass sechs Kinder wirklich eine Menge sind, vor allem, wenn das Haus so klein ist, wie Max sagt.«
    »Du unterstellst also eine unzumutbare Lärmbelästigung?«
    »Ich unterstelle gar nichts. Ich sage nur …«
    Und schon sind sie im schönsten Streit. Nur dass Max’ Eltern das nicht »Streit«, sondern »Diskussion« nennen. Und wenn sie schreien, was sie allerdings schon lange nicht mehr gemacht haben, dann heißt es »Auseinandersetzung«.
    Aber jetzt schreien sie nicht, weil Max’ Vater die Diskussion irgendwann mit einem Wink abbricht und sich seinem Sohn zuwendet. »Ich helfe dir«, sagt er und wirft seiner Frau einen »Jetzterstrecht«-Blick zu. »Es gibt natürlich Mittel und Wege, wie sich Herr … Wie heißt er überhaupt? Herr Wagner sich wehren kann. Soll ich mal mit Leonies Vater reden? Ja? Dann ist das abgemacht. Und nun wollen deine Mutter und ich …«
    »Danke«, sagt Max, stürzt sich auf ihn und tut etwas, was er seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht hat: Er gibt seinem Vater einen dicken, saftigen Kuss auf die Wange. »Das muss ich gleich Leonie erzählen.« Dann stürmt er aus der Küche.
    Den verblüfften Blick seiner Mutter sieht er nicht mehr. Und nicht mehr das überraschte Lächeln seines Vaters.
    »Wir wollten doch …«, sagt Max’ Mutter.
    »Was denn?« Max’ Vater greift gut gelaunt zu Messer und Gabel.
    »Ach nichts«, sagt Max’ Mutter und bohrt noch ein Pfannkuchenloch.
    »Und? Hat es geklappt?«, flüstert Leonie am Telefon.
    Max kann sie schlecht verstehen, weil im Hintergrund Issa heult und irgendjemand das Geräusch eines Maschinengewehrs nachmacht. »Ja, hat es«, flüstert er zurück. »Und bei dir?«
    »Bei mir wie geschmiert. Mama war gleich Feuer und Flamme. Außerdem wollte sie deine Mutter sowieso einmal kennenlernen. Sie kommt gleich nachher rüber.«
    »Nachher schon?«

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