Gefaehrliche Tiefen
Zum hundertsten Mal checkte sie ihr Handy. Nichts von Chase. Sie tippte seine Festnetznummer ein, nur um seine Stimme auf dem Anrufbeantworter zu hören:
Hi, ihr wisst, wer hier ist und ihr wisst, was ihr zu tun habt.
Das schrille Piepsen drang an ihr Ohr.
»Hola, querido«
, sagte sie. »Ich weiÃ, dass ich dich nicht erreichen kann, Chase. Aber ich möchte wirklich dringend mit dir sprechen.« Sie zögerte eine Sekunde lang, dann gab sie sich einen Ruck. »Mittlerweile weiÃt du bestimmt, dass es hier unten nicht so gut läuft. Dan Kazaki ist tot. Ich glaube, er wurde ermordet.« Es schnürte ihr die Kehle zu, und sie musste schlucken, bevor sie fortfahren konnte. »Die Polizei hat mir meinen Pass abgenommen, und jetzt haben sie meinen Ohrring am Fundort von Dans Leiche entdeckt. Ich weià nicht, was das zu bedeuten hat, vermutlich nichts Gutes. Aber ich werde sie nicht gewinnen lassen. Ich kann nicht zulassen, dass Dan umsonst gestorben ist. Also werde ich den Job, den wir angefangen haben, zu Ende bringen.« Mehr gab es nicht zu berichten. »Ich wollte dir sagen, dass ich dich liebe, an dich denke und immer noch hoffe, dich am 22. zu treffen. Pass auf dich auf,
mi salsa picante
.«
Sie beendete den Anruf, wischte sich die feuchten Augen und stand auf, um sich zu strecken. Vor ihrer Tür hörte sie Schritte und die Stimmen von Brandon und Ken, dann auch die der Robersons. Geklirr und Gepolter. Die Touristen waren wieder an Bord.
Ihr Telefon, das auf dem Schreibtisch lag, fing an zu quäken. Endlich! Sie hob es hoch und klappte es auf. »Chase!«
»Sam.« Mehr eine Feststellung als eine BegrüÃung. Die Stimme gehörte einer Frau. Dans Frau. Sam wurde von Schuldgefühlen überwältigt. »Elizabeth, es tut mir so, so leid. Ich hätte Sie anrufen sollen, sobald ich erfahren hatte â¦Â«
»Ist mit Ihnen alles in Ordnung?«
Um Himmelswillen, wie konnte diese arme Witwe sich nur um
sie
sorgen, wo doch ihr eigener Mann gerade gestorben war? »Mir gehtâs gut«, sagte sie und schluckte gegen den Kloà in ihrer Kehle an. »Wie geht es Ihnen und Sean?«
»Wir stehen noch unter Schock.«
»Natürlich, das tun wir alle.« Der Anblick von Dans toten Augen hinter seiner mit Wasser gefüllten Taucherbrille flackerte vor ihr auf. Sam schloss die Augen, um das Bild zum Verschwinden zu bringen.
»Was ist passiert?«
Sollte sie Elizabeth erzählen, dass sie Dans Leiche gefunden hatte, zwei Tage bevor sie vom Konsulat von seinem Tod informiert worden war? Sollte sie Elizabeth von den Vorfällen zu Beginn der Reise erzählen? Nein. Zuerst musste sie selbst irgendeinen Sinn hinter der Abfolge der Ereignisse erkennen.
Sie sagte: »Wir sind immer noch dabei, das herauszufinden, Elizabeth.« Wer zum Kuckuck sollte sich hinter diesem mysteriösen »wir« verbergen, das sie ständig im Munde führte? Soweit sie wusste, suchte niemand auÃer ihr auf den Galapagosinseln nach Antworten. »Was haben sie Ihnen erzählt?«
»Nur, dass es einen furchtbaren Unfall gegeben hat und er ertrunken ist. Nun wird er in einem Flugzeug ⦠ich meine, seine â¦Â« Sie schniefte, und dann hörte Sam ein gedämpftes Geräusch, als hätte Elizabeth das Telefon an ihren Körper gepresst. Nach einer Sekunde war sie wieder da. »Sie waren nicht dabei?«
Warum fühlte sie sich bei dieser Frage so schuldig? »Ich bin gewandert, Elizabeth. Es sieht so aus, als hätte Dan sich entschlossen, allein tauchen zu gehen. Ich hatte keine Ahnung davon.«
Am anderen Ende der Leitung blieb es bis auf ein gelegentliches Schniefen still. Entweder weinte Elizabeth oder aber sie kämpfte mit den Tränen. War Dans Frau im Besitz weiterer Informationen? »Hat Dan irgendetwas darüber gesagt, wie die Reise lief, oder was er von dem Gutachten hielt, das er erstellte?«
»Dan hat nie viel mit mir über seine Arbeit gesprochen.«
Eine lange, unbehagliche Stille folgte. Als diese sich in die Länge zog, grübelte Sam über verschiedene Beileidsbezeugungen nach, doch in ihren Ohren klangen sie allesamt unaufrichtig. Keine wurde Elizabethâ Verlust gerecht. Keine war angemessen für das Ausmaà ihrer eigenen Schuld. Endlich setzte sie an: »Wenn ich irgendetwas â¦Â«
»Sie müssen wissen, dass ich Ihnen keine Vorwürfe mache«, unterbrach Dans Frau sie. »Er wusste,
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