Gefaehrliche Verlockung (Gesamtausgabe)
milde, wie es mit einem Gesicht wie seinem nur möglich ist. Ich klappe meinen Mund zu und tue so, als hätte ich diese sagenhafte Neuigkeit nur kurz verdrängt.
„Es ist wohl angebrachter, wenn Sie direkt mit Mr Newsmith sprechen. Dann bekommt er die Informationen direkt aus erster Hand“, sage ich eifrig und deute gönnerhaft mit der Hand auf den zweiten Stuhl an meinem Schreibtisch. Der Pfarrer wirft mir einen misstrauischen Blick zu und schüttelt kaum merklich den Kopf. Hat er womöglich gesehen, wie kurz mein Kleid ist?
„Wann haben Sie erfahren, dass Sie zum Bischof von Salisbury bestellt wurden?“, fragt der Tony Blair-Imitator freundlich und ich atme unhörbar aus. Okay, das wusste ich tatsächlich nicht, aber es ist eine Information, mit der ich umgehen kann. Allerdings hätte ich eher vermutet, dass Reverend Clawson zur konservativen katholischen Kirche wechselt, schließlich macht er keinen Hehl daraus, nichts von Frauen als Priester zu halten und für den Zölibat zu sein. Im letzten Gemeindeblatt hat er dann noch polternd verkündet, dass er bei der anstehenden Abstimmung gegen die Bischofsweihe von Frauen in der anglikanischen Kirche stimmen wird. Als emanzipierte Frau kann man über so einen Menschen nur mit dem Kopf schütteln. Wenn er könnte, würde er vermutlich Hosen als Kleidungsstücke für Frauen verbieten.
Ich höre den beiden Männern zu, ohne wirklich aufzunehmen, worüber sie sprechen. Meine Gedanken schweifen ständig ab. Was hat Jason mit dem Pfarrer zu tun? Kann ich ihn einfach darauf ansprechen? Was soll ich fragen, wenn er wissen will, warum ich diese Information brauche?
Ich starre aus dem Fenster, während Gesprächsfetzen wie „seit dreißig Jahren im Dienste der Kirche und Ihrer Majestät“ oder „große Ehre für mich“ an mir vorbeifliegen. Ich könnte erzählen, dass Jason eine großzügige Spende an die Gemeinde machen will und ich ihn daher im Gemeindeblatt erwähnen muss. Das wäre eine Möglichkeit, ganz unverfänglich auf das Thema zu kommen.
Hastig kritzele ich mir eine Notiz auf einen Block, der auf meinem unaufgeräumten Schreibtisch liegt, damit ich den Einfall nicht vergesse.
„Haben Sie alles mitgeschrieben, Emma? Für unser Gemeindeblatt?“
Irritiert lasse ich den Kugelschreiber fallen und sehe von meinem Block auf. Mein Gesicht fühlt sich an wie heißgekochter Brei.
„Ja ... natürlich“, murmele ich und versuche, mich auf das Gespräch der Männer zu konzentrieren. Ich frage einfach Reverend Morris später nach den Details, er wird mir sicher helfen.
Nachdem ich mir Newsmith verabschiedet habe, bleibt Reverend Clawson in meiner Tür stehen und betrachtet mich. Verlegen fahre ich mit der Hand über das Kleid und versuche, so selbstbewusst wie möglich auszusehen.
„Kann ich Ihnen noch bei irgend etwas helfen?“, frage ich und halte seinem bohrenden Blick stand.
„Treffen Sie sich mit Jason Hall?“
Die unumwundene Frage wirkt wie ein Fausthieb, und ich zucke erschreckt zusammen.
„Warum möchten Sie das wissen?“
Woher weiß er überhaupt , dass ich mich mit Jason treffe? Mein Herz klopft wieder schneller und signalisiert eine Bedrohung.
„Sie sollten die Finger von ihm lassen, er ist nicht gut für Sie.“
„Was zum ...“
Hastig verschlucke ich den Fluch, der mir über die Lippen hüpfen wollte. Immerhin befinden wir uns hier sozusagen in einem Gotteshaus. Ohne eine weitere Antwort dreht der Pfarrer sich um und zieht meine Tür hinter sich zu. Ich bleibe minutenlang stocksteif hinter meinem Schreibtisch stehen, meine Unterarme überzieht eine Gänsehaut.
Er ist nicht gut für Sie? Hat Reverend Clawson etwa den anonymen Brief geschrieben? Das kann unmöglich sein. Oder? Was um alles in der Welt hat Jason mit dem Pfarrer zu tun? Er war mir immer etwas unheimlich, mit seinem Ziegenbart und dem voluminösen Körper, aber mir fehlt definitiv die Fantasie um eine Verbindung zwischen Jason und ihm herstellen zu können.
Ich schaffe es tatsächlich, mich eine halbe Stunde lang auf die Arbeit zu konzentrieren, bevor meine Gedanken auf die Wanderschaft gehen. Zu Jason, natürlich. Erneut durchforste ich die Suchmaschinen nach ihm, finde aber nur die alten Zeitungsartikel, die ich schon kenne. Ich lese sie trotzdem noch einmal, nippe währenddessen an meinem zweiten Kaffee und lasse parallel auf youtube die Tindersticks laufen. Mit Kopfhörern, natürlich, ich will ja kein Aufsehen erregen.
Wie erwartet jagt mir die Stimme des
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