Gefaehrliche Verstrickung
Minuten an diesem Ort schon viel zu lang. »Sie wollten mich noch sprechen, bevor ich meine Mutter abhole?«
»Ja. Bitte nehmen Sie Platz.« Er bot ihr einen der Ohrensessel an, die seinem Büro einen gemütlichen Anstrich geben sollten. Daneben stand ein antikes Tischchen, und darauf, in einer unauffälligen Box, eine Packung Kleenex. Adrianne erinnerte sich, wie sehr sie diese Taschentücher vor zwei Jahren gebraucht hatte. Nun faltete sie ihre Hände auf dem Schloss und schenkte Dr. Schroeder ein kleines Lächeln. Mit seinem langen, schmalen Gesicht und den Tränensäcken unter den braunen Augen sah er aus wie ein großer, trauriger Hund. »Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee oder Tee anbieten?«
»Nein, vielen Dank. Ich möchte Ihnen meinen Dank aussprechen für alles, was Sie für meine Mutter getan haben - und auch für mich.« Als er bescheiden abwinken wollte, hob sie bedeutungsvoll eine Hand. »Nein, es ist mir Ernst damit. Meine Mutter kommt wunderbar mit Ihnen zurecht, und daran liegt mir sehr viel. Außerdem weiß ich, dass Sie mehr als das Nötige unternommen haben, um Einzelheiten der Krankheit meiner Mutter vor der Presse geheimzuhalten.«
»Alle meine Patienten haben ein Anrecht auf Diskretion.« Er nahm Platz, aber nicht hinter seinem Schreibtisch, sondern in einem Sessel neben dem ihren. »Meine Liebe, ich weiß, wieviel Ihnen Ihre Mutter bedeutet und wie besorgt Sie um ihre Gesundheit sind. Daher bitte ich Sie, es sich noch einmal gründlich zu überlegen, ob Sie sie wirklich nach Hause nehmen möchten.«
Adrianne war auf alles gefaßt. Ihre Augen verrieten nichts, doch ihre Hände verkrampften sich in ihrem Schloss . »Wollen Sie damit andeuten, dass sie einen Rückfall hatte?«
»Nein. Nein, überhaupt nicht. Phoebes Fortschritte sind völlig zufriedenstellend. Die Behandlung und die Medikamente haben gut angeschlagen und ihren Zustand stabilisiert.« Er machte eine kurze Pause und atmete langsam aus. »Ich möchte unsere Unterhaltung nicht mit medizinischen Fachausdrücken strapazieren. Sie kennen sie ohnehin bereits alle. Aber ebensowenig will ich ihren Zustand oder die Prognose herunterspielen.«
»Das verstehe ich.« Adrianne unterdrückte das Bedürfnis aufzustehen und im Zimmer umherzugehen. »Dr. Schroe- der, ich weiß, was meiner Mutter fehlt. Ich kenne die Ursache dafür, und ich weiß, was für sie getan werden muss .«
»Meine Liebe, die manische Depression ist eine sehr komplizierte und traurige Krankheit - sowohl für den Patienten als auch für dessen Familie. Sie wissen ja jetzt, dass die Depressionen und hyperaktiven Phasen abrupt einsetzen und abklingen können. Phoebe hat die letzten zwei Monate gut auf die Behandlung angesprochen, aber es waren eben nur zwei Monate.«
»Diesmal«, erinnerte ihn Adrianne. »In den vergangenen zwei Jahren hat sie ebensoviel Zeit in diesem Sanatorium verbracht wie zu Hause. Bisher habe ich nichts dagegen unternehmen können. Heute ist mein achtzehnter Geburtstag, Doktor. Dem Gesetz nach bin ich also volljährig. Somit kann ich die Verantwortung für meine Mutter übernehmen und werde dies auch tun.«
»Wir wissen beide, dass Sie schon vor langer Zeit diese Verantwortung übernommen haben. Dafür bewundere ich Sie mehr, als ich ausdrücken kann.«
»Daran ist nichts Bewunderungswürdiges.« Diesmal stand sie auf. Sie muss te die Sonne sehen, die Berge. Die Freiheit. »Sie ist meine Mutter. Nichts und niemand bedeutet mir mehr als sie. Und niemand weiß über ihr und über mein Leben besser Bescheid als sie. Sagen Sie mir, Doktor, hätten Sie an meiner Stelle weniger für sie getan?«
Er beobachtete sie genau, während sie ihn ansah. Ihre dunklen Augen wirkten sehr erwachsen, sehr entschlossen. »Ich hoffe nicht. Sie sind noch sehr jung, Prinzessin Adrianne. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass Ihre Mutter für den Rest ihres Lebens intensive und ständige Pflege brauchen wird.«
»Die wird sie bekommen. Ich habe bereits eine der Krankenschwestern, die Sie mir empfohlen haben, engagiert. Und ich habe meine Termine so gelegt, dass meine Mutter keine Stunde am Tag allein ist. Außerdem wohnt die älteste Freundin meiner Mutter in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.«
»Liebe und Freundschaft werden sicherlich eine ganz bedeutende Rolle für die geistige und auch emotionale Gesundheit Ihrer Mutter spielen.«
Adrianne lächelte. »Das ist die leichteste Übung.«
»Und sie muss einmal wöchentlich hierher zur Therapie gebracht
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