Gefaehrliche Verstrickung
Grund, der vielleicht noch mehr zu Buche schlug, war ihre Flexibilität. Die Baupläne der Fumeschen Villa, die sie aus New York mitgebracht hatte, konnten warten. Die Witwen- und Waisenstiftung hingegen nicht.
Um Viertel vor neun Uhr morgens öffnete Lucille, Madelines Dienstmädchen, einem gutaussehenden, bärtigen jungen Mann im grauen Overall die Tür.
»Bitte, was wünschen Sie?«
»Kammerjäger. Schädlingsbekämpfung.« Adrianne grinste hinter ihrem sandfarbenen Bart hervor und bedachte Lucille mit einem kessen Augenzwinkern. Unter einer verbeulten Kappe trug sie eine strubbelige blonde Perücke, die ihre Ohren verbarg. »Hab' sechs Wohnungen auf der Liste heute morgen, und das hier ist Nummer eins.«
»Ungeziefer?« Lucille zögerte und errötete dann ein wenig unter den interessiert musternden Blicken des Kammerjägers. »Die Mademoiselle hat mir nichts von Ungeziefer gesagt.«
»Auftrag vom Hausmeister.« Adrianne hielt ihr ein rosafarbenes Formular hin. Sie trug reichlich verschlissene Arbeitshandschuhe, die bis über die Handgelenke reichten. »Hat ein paar Beschwerden gegeben. Mäuse.«
»Mäuse?« Lucille unterdrückte ein Kreischen und zog ihre Hand zurück. »Aber die Mademoiselle schläft noch.«
»Is' nicht mein Bier. Wenn Sie nich' wollen, dass Jimmy die kleinen Tierchen umbringt, dann trolle ich mich eben wieder.« Sie hielt dem Dienstmädchen noch mal das Papier unter die Nase. »Unterschreiben Sie hier. Da steht, dass Sie meinen Service nich' brauchen. Damit is' mein Boß aus'm Schneider, falls Ihnen irgendwelche Nagetiere die Beine hochkrabbeln.«
»Um Himmels willen, nein.« Unschlüssig begann Lucille an ihren Nägeln zu knabbern. Mäuse. Allein der Gedanke daran jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken. »Warten Sie hier. Ich werde die Mademoiselle wecken.«
»Nur keine Eile, ich werd' nach Stunden bezahlt.«
Sobald Lucille verschwunden war, stellte Adrianne den Behälter mit dem Vertilgungsmittel ab und unterzog den Raum einer raschen, routinierten Inspektion, indem sie Bilder anhob und Bücher verrückte. Unwillkürlich muss te sie grinsen, als sie Madelines Stimme aus einem Zimmer am Ende des Korridors vernahm. Offensichtlich war die Gnädigste nicht sonderlich erbaut über die Unterbrechung ihres Schönheitsschlafes. Als Lucille zurückkam, lehnte Adrianne am Türpfosten und pfiff ein Liedchen.
»Fangen Sie bitte in der Küche an. Mademoiselle möchte sich fertigmachen, bevor Sie sich die Schlafzimmer vornehmen.«
»Ganz zu Ihren Diensten.« Adrianne hob den Behälter auf. »Wollen Sie mir Gesellschaft leisten?«
Lucille klimperte mit den Wimpern. Er war klein und dürr, dachte sie. Hatte aber ein hübsches Gesicht. »Vielleicht. Wenn Mademoiselle weggegangen ist.«
»In Ordnung.« Pfeifend machte sich Adrianne auf den Weg in die Küche. Sobald die Luft rein war, schlüpfte sie in die kleine Abstellkammer. Die Alarmanlage, die sie dort vorfand und die ihrem Namen keine Ehre machte, veranlaßte sie zu einem enttäuschten Seufzer. Rasch, doch mit einem Ohr auf etwaige Geräusche lauschend, schraubte sie die Deckplatte ab. Mit einem Griff fischte sie einen Minicomputer von der Größe einer Kreditkarte und zwei Lüsterklemmen aus ihrer Tasche. Ruhig und sicher arbeitend, klemmte sie die Drähte ab und unterbrach so die Stromzufuhr.
Als sie das Klappern von Absätzen vernahm, schlüpfte sie schnell aus der Kammer und sprühte eine dicke Wolke des angeblichen Vertilgungsmittels in die Luft, das in Wahrheit ein harmloses Raumspray war.
»Warten Sie lieber noch eine Minute«, rief sie, als Lucille den Kopf in die Küchentür steckte. »Das Zeug muss sich erst setzen. Sonst sehn Ihre hübschen Augen gleich aus wie die von einem Karnickel.«
Hustend wedelte Lucille mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. »Mademoiselle möchte wissen, wie lange Sie noch brauchen.«
»Eine Stunde, höchstens.« Dabei drückte sie nochmals auf die Pumpe, um Lucille zum Gehen zu animieren. Dann zählte sie bis fünf, schlich wieder in die Abstellkammer und trennte die Kabel ab. Sie brauchte keine zwei Minuten, um die Kabelenden mit ihrem Computer zu verbinden und den Sicherheitscode zu ändern. Unbemerkt in das Haus zu gelangen, sollte nun kein Problem mehr sein, dachte sie, als sie die Abdeckplatte wieder festschraubte. Jetzt muss te sie nur noch den Safe finden. Mit dem Metalltank über der Schulter ging sie zu Lucille.
»Wohin jetzt?«
»Ins Gästezimmer.« Lucille wollte gerade in die
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