Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper
war. Die Polizei, seine Familie, Kieran. Es schien sein Herz zu zerreißen, als ihm klar wurde, dass er sich würde entscheiden müssen. Es gab keinen Ausweg. Und dennoch. Er wollte diese Entscheidung nicht jetzt und nicht in der Kutsche treffen. Allein die Zeit verschaffte ihm Luft, die Vorstellung, etwas könne passieren, dass ihm helfen würde.
„Ich werde gehen, Sir … Wenn wir den Whitechapel-Mörder haben.“
Noch nie hatte er seinen Vorgesetzten so verblüfft gesehen. Was er für eine schlichte Ankündigung gehalten hatte, schlug bei Walker offensichtlich wie eine Bombe ein.
„St. John! Haben Sie mir nicht zugehört? Sie sind raus!“
„Warum sind Sie zum Hauptquartier der Blind Dogs gekommen, Sir?“, ignorierte er die Worte seines Vorgesetzten.
Dieser war so perplex, dass er zu sprechen anhob: „Weil wir wieder eine Tote haben.“
„Der Ripper?“, setzte St. John nach.
Walker nickte. „Es kann keinen Zweifel geben. Und diesmal hat er schlimmer gewütet als je zuvor.“
„Wann und wo ist es passiert?“
Als seien sie beide maßlos erleichtert, sich auf sicheres Terrain begeben zu können, wandten sie sich entschieden den Fakten der Mordserie zu. Walker lehnte sich entspannt zurück und referierte, was er bis jetzt wusste. Kein Wort mehr darüber, dass St. John „raus“ war …
„Diesmal hat er in Miller’s Court zugeschlagen. Einem kleinen Hinterhof. Das Opfer ist eine gewisse Mary Kelly. Ein hübsches Ding soll sie gewesen sein. Anfang oder Mitte zwanzig.“
„Darin unterscheidet sie sich also von den anderen.“
„Ja. Und in noch etwas unterscheidet sie sich. Diesmal ist es in einem geschlossenen Raum geschehen, dem Zimmer der Kelly an diesem Hof.“
Das Schweigen, das sich schwer über sie senkte, ließ St. John nichts Gutes ahnen.
„Er hat nicht viel von ihr übrig gelassen.“
„Haben Sie sie schon gesehen?“
Walker schüttelte den Kopf. „Deswegen bin ich hergekommen. Ich wollte Sie holen und jemand hat mir gesteckt, wo ich Sie finden kann.“
Es war eine gerade noch am Schopf ergriffene Gelegenheit, die soeben eingeschlagene Richtung zu ändern, als St. John schnell nachhakte: „Und wann ist es geschehen?“
„Wenn die Aussagen stimmen, die man mir vorgelegt hat, zwischen drei und vier heute Nacht.“
Es war, als erscheine plötzlich die Sonne zwischen dichten Regenwolken. St. John riss die Augen auf.
„Vergangene Nacht?“, fragte er, als könne er es nicht fassen.
„Ja. Natürlich.“
„Dann kann es O’Malley nicht gewesen sein.“ Er biss sich im gleichen Moment auf die Zunge.
„Sie sind sein Alibi …“, sagte Walker gepresst, als drücke ihm jemand die Kehle zu. St. John nickte und blickte starr aus dem Fenster.
Sein Vorgesetzter kratzte sich am Kopf.
„Ach … verdammt … St. John! Wie zur Hölle soll ich das benutzen? Soll ich in meinen Bericht schreiben: Kieran O’Malley fällt als Tatverdächtiger aus, weil mein Inspector zum Tatzeitpunkt mit ihm gevögelt hat? Wenn O’Malley raus ist aus der Sache, hängen Sie mittendrin. Ich kann’s nicht ändern.“
Hatte er die eine Zwickmühle hinter sich gelassen, tauchte schon die Nächste auf. St. John konnte es nachvollziehen. „Wir könnten ihn unerwähnt lassen. Solange es eben geht.“
Walker nickte, doch er wich St. Johns Blicken aus. Die Kutsche hielt mit einem Ruck. Walker suchte seinen Hut und setzte ihn auf. Sie stiegen aus.
Den Zugang zum Miller’s Court bewachten zwei bullige Polizisten, die augenblicklich jeden vertrieben, der auch nur für einen Moment stehen blieb, um etwas von jenem Geschehen zu erhaschen, das sich in Windeseile in der ganzen Stadt herumgesprochen hatte.
Walker wies sich aus und so ließen sie ihn wie auch St. John passieren.
Sie passierten einen kleinen Kramladen und betraten den kleinen Hinterhof. Im Gegensatz zu den früheren Schauplätzen hatten sich hier nur wenige Menschen versammelt. St. John fiel ein kleiner im Erdgeschoss liegender Raum auf, der zwei unterschiedlich große Fenster zum Hof hatte und eine Tür um die Ecke. Davor standen Polizisten, offensichtlich unschlüssig, was sie tun sollten.
„Ist der Arzt drinnen?“
„Doktor Phillips ist da. Er hat aber nur durchs Fenster geschaut, um sicherzugehen, dass niemand mehr ärztliche Hilfe benötigt.“
Die Männer sahen sich lange an, denn allen war der Zynismus des Ausdrucks ausgerechnet in Zusammenhang mit diesem Mord nur allzu bewusst.
„Die Bluthunde stehen nicht zur Verfügung!“, rief
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