Gefährlicher Verführer
will.« Sie beugte sich vor, um Desari in
die Augen zu sehen. »Was verschweigt ihr mir noch?«
Desari warf Syndil einen
flüchtigen Blick zu, und diese nickte. »Julian sagt, dass die Umwandlung sehr
schmerzhaft ist.«
Tempest strich sich einige
Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dann meinte sie spöttisch: »Das macht nichts, ich
stehe auf Schmerzen. Kanntest du alle diese Nebenwirkungen, als du mir zum
ersten Mal davon erzählt hast? Du wolltest doch, dass ich darüber nachdenke,
oder nicht?«
Desari sah schuldbewusst
aus. »Es tut mir Leid, Rusti. Aber ich liebe meinen Bruder und kann schon jetzt
sehen, wie ihm seine neue Lebensweise zu schaffen macht. Er würde niemals seine
Pflichten vernachlässigen. Obwohl seine Kräfte schwinden, würde er uns gegen
die verteidigen, die uns bedrohen. Ich dachte nur an ihn, nicht an dich. Bitte
verzeih mir.«
»Darius war sehr wütend auf
uns«, berichtete Syndil. »Er hat zwar nicht einmal die Stimme erhoben, aber er
bebte beinahe vor Zorn.«
Unruhig ging Tempest im Zimmer
auf und ab. »Wie schmerzhaft ist es?«
Desaris schlechtes Gewissen
regte sich. Sie wünschte sich sehnlichst, dass ihr Bruder weiterlebte, doch er
würde außer sich vor Zorn sein, wenn er herausfand, dass Syndil und sie
Tempests Gefühle für ihn ausgenutzt hatten, um sie zu überzeugen, die
Umwandlung zu vollziehen.
»Das kann nicht dein Ernst
sein.« Desari sprang auf und packte Tempest an den Schultern. »Es war falsch
von mir, dir überhaupt einen solchen Vorschlag zu machen. Außerdem will Darius
es nicht. Er möchte mit dir alt werden und sterben, das hat er bereits
beschlossen. Er bereut es nicht. Ich muss seinen Entschluss akzeptieren, auch
wenn es mir schwer fällt.«
Syndil nickte. »Darius
findet, eine Frau sollte nicht in die Lage gebracht werden, ihr Leben für einen
Mann zu riskieren.« Sie schlug den Blick nieder, als sie sich an Darius' Strafpredigt
erinnerte. »Er findet es schon schlimm genug, dass er dich ohne dein
Einverständnis aus deiner Welt gerissen hat. Doch er würde niemals dein Leben
aufs Spiel setzen.« Als sie Tempest ansah, lag unverkennbare Trauer in ihrem
Blick. »Wir hätten nicht noch einmal darüber reden sollen.«
»Aber eigentlich ist es doch
weder seine Entscheidung noch sein Risiko, oder?«, wandte Tempest leise ein.
»Auch ich habe das Recht, mir um seine Gesundheit und sein Wohlergehen Sorgen
zu machen.«
»Es ist die Pflicht eines
karpatianischen Mannes, dafür zu sorgen, dass seine Gefährtin immer gesund und
glücklich ist«, erklärte Desari. »Er kann nicht anders.«
»Glücklich«, wiederholte Tempest
leise und mehr zu sich selbst.
Plötzlich klopfte es an der
Tür, und ihr Puls begann zu rasen. Sie dachte nur noch an die Dinge, die ihr
die beiden Frauen eröffnet hatten. Würde es ihr gelingen? Sollte sie es
riskieren? Verfügte sie über so viel Mut? Die Worte wahnsinnige Vampirin riefen keine besonders
schönen Vorstellungen in ihr wach. Tempest gefiel der Gedanke gar nicht. Doch
die Vorstellung, Darius könnte altern und seine Kräfte einbüßen, obwohl es
nicht sein musste, lastete noch viel schwerer auf ihrem Herzen.
Glaubte sie denn tatsächlich
an ein Märchen? Vielleicht war Darius im Augenblick davon überzeugt, mit ihr
zusammen alt werden zu wollen, doch vielleicht hätte er schon bald genug von
ihr. Schließlich geschah das nur allzu oft. Die wenigsten
Männer waren dazu in der
Lage, sich für immer an eine einzige Frau zu binden - und in ihrem Fall ging
es sogar um die Ewigkeit. Sie war eine Einzelgängerin, es lag in ihrer Natur,
allein zu sein. Und doch erschien ihr der Gedanke an ein ewiges Leben in
Einsamkeit nicht gerade verlockend. Und dann war da noch die Sache mit dem Blut...
Tempest schnitt eine
Grimasse. Bei dem Gedanken daran, einem Menschen das Blut auszusaugen, wurde
ihr übel.
Kleines, du denkst an ziemlich
deprimierende Dinge. Schlag dir die ganze Sache einfach aus dem Kopf. Es wird
mir gut gehen, ich werde dich nicht verlassen, und du wirst niemals irgendjemandem
das Blut aussaugen. Andererseits werde ich das Vergnügen haben, an deinem Hals
und anderen Teilen deines Körpers zu saugen, so oft es mir nur möglich ist.
Wenn ich erst meine beiden kleinen Schwestern erwürgt habe, ist alles wieder in
Ordnung.
Du brauchst sie nicht zu
erwürgen. Schließlich habe ich sie gefragt.
Ich würde dich niemals
allein lassen, meine Liebste. Darius' Stimme klang wie eine Liebkosung, drückte
jedoch unerschütterliche
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