Gefährliches Doppel - Duisburg-Krimi
man selbst zu Fuß nur langsam vorwärtskam, stellten die Ersten ihre Räder an der Leitplanke ab.
»Ist eigentlich verboten«, bemerkte Pielkötter.
»Ja, eigentlich«, erwiderte Marianne, »aber das ist hier eben ein ganz spezieller Fall. Jedenfalls habe ich keine Lust, hier noch länger rumzustehen.«
Skeptisch schielte Pielkötter zu den Leuten, die nun scharenweise über die Leitplanke kletterten, um auf die Fahrbahn in Richtung Venlo zu wechseln.
»Die Mobilitätsspur darf man ausschließlich über die Auffahrten verlassen.«
»Willibald«, stöhnt Marianne, »du bist hier nicht im Dienst.«
Da auch er keine Alternative sah, gab er ihrem Drängen nach. Bald nachdem sie den Menschenmassen über die Leitplanke gefolgt waren, erreichten sie Anfang oder Ende der längsten Tafel der Welt. Biergartengarnitur reihte sich an Biergartengarnitur. Trotzdem konnte sich Pielkötter kaum vorstellen, dass diese Anordnung sich tatsächlich bis nach Dortmund hinziehen sollte. Aber der unendlich lange Tisch blieb längst nicht das Einzige, was ihn an diesem Tag in Erstaunen versetzte. Er hatte noch nie so viele Menschen mit guter Laune gesehen. Sie sangen, tanzten und lachten, jonglierten mit Handfegern oder Klobürsten und schwenkten Fahnen vom MSV. Schauspieler führten kleine Sketsche auf, und die ruhigeren Vertreter spielten Schach auf der Autobahn. Plötzlich kam ihnen ein ganzer Schwarm Bräute in ihren weißen Kleidern entgegen.
»Die sind aus Marxloh, aber nicht echt«, klärte ihn Marianne auf. »Ein richtiges Hochzeitspaar gibt es hier allerdings auch. Hab ich jedenfalls in der Zeitung gelesen.«
Pielkötter hörte jedoch nur mit einem halben Ohr zu. Zwei junge Mädchen von etwa siebzehn oder achtzehn Jahren hatten seine Aufmerksamkeit erregt. Sie waren identisch gekleidet und weder von der Statur her noch von ihren Gesichtszügen auseinanderzuhalten. Sie liefen Hand in Hand, wahrscheinlich um ihre Zusammengehörigkeit noch zu unterstreichen. Vielleicht wollten sie dadurch auch einfach noch mehr Aufmerksamkeit erregen. In Bezug auf Hauptkommissar Pielkötter hatten sie das jedenfalls geschafft. Automatisch fiel ihm Frau Gerhardt ein und die Person, die sie an Herrn Martinis Seite vor dem Casino gesehen hatte. Angeblich nicht Vanessa und ihr dennoch so ähnlich.
Auch Marianne hatte das Zwillingspaar nun entdeckt. »Das kommt in der Natur aber recht selten vor«, erklärte sie.
Nachdenklich drehte er sich noch einmal um, als die beiden jungen Frauen längst an ihnen vorbeigeschlendert waren. Hatte Frau Gerhardt in einem Gespräch nicht etwas über künstliche Be fruchtung erwähnt? Wurde dadurch die Chance für eineiige Zwillinge erhöht?
Marianne bedachte ihn mit einem unverständigen Blick. Während sie ihn kopfschüttelnd an drei Trommlern mit Rastazöpfen vorbeizog, überlegte er, noch heute mit Frau Gerhardt zu telefonieren. Um siebzehn Uhr würden die Tische auf der A 40 sowieso geräumt.
38
Während Pielkötter über den Emscherschnellweg fuhr, dröhnte Angie von den Stones aus den Lautsprecherboxen seines Wagens. Nach dem harmonischen Ausflug auf die A 40 hatte es Zuhause gleich wieder Streit gegeben. Marianne hatte gemosert, wollte einfach nicht verstehen, wieso ein Kommissar nicht einfach Dienst nach Vorschrift machen konnte. Zudem hatte sie die Krankmel dung ins Spiel gebracht. Dabei hatte sie ihn vorher zu dieser Radtour überredet, die für ihn eigentlich nicht zu seiner Dienstun fähigkeit gepasst hätte. Marianne hatte sogar extra Doktor Düllenhofer angerufen. Der hatte noch einmal ausdrücklich bestätigt, dass er nicht bettlägerig sei und deshalb durchaus das Haus verlassen dürfe. Genau das aber sollte nach Mariannes Meinung für heute Abend plötzlich nicht mehr gelten.
Missmutig warf Pielkötter einen Blick auf das riesige Gelände von ThyssenKrupp, auf das er von der A 42 hinter Beeck einen guten Überblick hatte. Einige Kühltürme im Hintergrund waren bunt angestrichen, was er irgendwie unpassend fand.
Erst als er an Katharina Gerhardt dachte, besserte sich seine Laune. Immerhin schien sie sich auf seinen Besuch zu freuen. Zumindest hatte er diesen Eindruck während ihres kurzen Telefonats gewonnen.
»Langsam wird das zur Gewohnheit, dass Sie mich richtig neugierig machen«, begrüßte sie ihn.
Anscheinend hatte Katharina Gerhardt ihn schon erwartet. Jedenfalls standen Gläser und verschiedene Getränke auf dem Wohnzimmertisch. Pielkötter ließ sich ein Bier einschenken, und die
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