Gefährliches Geheimnis
sehen, dass er sie in jeder schlanken Frau zu erkennen glaubte, die er von hinten sah. Er fragte sich allmählich, ob er schlief oder wach war.
Max Niemann sagte, er würde in seinem gewohnten Hotel absteigen. Sie hatten immer ein Zimmer für ihn, auch wenn er unangemeldet kam, und er würde sich am folgenden Morgen bei Monk in der Grafton Street melden.
Monk wünschte ihm guten Abend und entspannte sich, als seine Kutsche sich in Richtung Tottenham Court Road und Grafton Street aufmachte. Er war fast eingeschlafen, als die Kutsche mit einem Ruck zum Stehen kam und der Kutscher ihm sagte, sie seien da. Monk war verblüfft, stürzte fast beim Aussteigen, entlohnte den Kutscher und zog seinen Haustürschlüssel heraus, weil er Hester überraschen und die Freude in ihrem Gesicht sehen, die Wärme des Hauses spüren, den vertrauten Geruch nach Politur und brennenden Kohlen riechen, späte Blätter in der Vase sehen und vor allem sie in seinen Armen spüren wollte.
Aber alles war dunkel, und es war niemand zu Hause. Er stellte seine Koffer ab und suchte im Dunkeln nach dem Gasregler. Es brannte kein Feuer, schon den ganzen Tag nicht. Er war so enttäuscht, dass er sich fühlte, als hätte ihn jemand geschlagen. Erschöpfung übermannte ihn, und er fing unkontrolliert an zu zittern.
Er ging in die Küche und füllte den Kessel. Er brauchte eine halbe Stunde, um das Feuer im Herd anzuzünden und so einzuheizen, dass das Wasser kochte. Er wollte gerade Tee aufgießen, als er die Haustür aufgehen hörte. Die
Teedose noch in der Hand, ging er durchs Vorderzimmer. Hester hatte gerade die Haustür zugemacht, den Mantel
hatte sie noch an. Ihr Gesicht war ganz weiß, und auf ihrer
Wange prangte ein blauer Fleck. Ihre Frisur war in Auflösung begriffen, und ihre Kleider waren in Unordnung.
»Wo, zum Teufel, bist du gewesen?«, rief er. »Weißt du, wie spät es ist?«
Sie sah erst überrascht aus und dann wütend. »Nein! Und es ist mir egal!«, erwiderte sie.
»Wo warst du?«, wiederholte er, und seine Stimme zitterte vor Gefühlen, die er nicht verhehlen konnte. Er konnte die Augen nicht von ihrem Gesicht lassen, nahm jede Einzelheit in sich auf, wütend, dass er sich mehr um sie sorgte, als er kontrollieren und auch verbergen konnte. Er wollte sie im Arm halten und nie wieder loslassen, die ganze Nacht nicht, morgen nicht, niemals wieder. Die Macht dieses Gefühls jagte ihm Angst ein. »Steh nicht so da! Wo warst du?«, wollte er wissen.
»Willst du damit sagen, dass du durch halb Europa reisen kannst, während ich mich nicht einmal um die Ecke zum Polizeirevier begeben darf?«, fragte sie spitz. Sie starrte ihn an, ihre Augen funkelten, ihr Gesicht war, bis auf den blauen Fleck, fast ohne jede Farbe.
»Zum Polizeirevier? Warum?«, wollte er wissen. »Was ist passiert?«
»Ich habe herausgefunden, dass Argo Allardyce an dem Abend, an dem Elissa umgebracht wurde, nicht in Southwark war«, antwortete sie. »Er war in der Swinton Street, zumindest am frühen Abend.«
»Ja, Max Niemann hat ihn gesehen«, sagte er. »Woher weißt du das?«
Sie machte große Augen vor Überraschung. »Ich habe es aufgedeckt«, sagte sie eisig. »Die Zeichnung, die er Runcorn gegeben hat, wurde nicht an dem Abend angefertigt, das Plakat des Varietétheaters war falsch. Er hat zugegeben, dass er in der Spielhalle war.«
»Runcorn hat es dir erzählt?«
»Nein, ich habe es ihm erzählt.«
»Woher, zum Teufel, weißt du das? Wo warst du?« Es wollte es nicht, aber seine Stimme wurde immer lauter, bis er sie schließlich anbrüllte. Angst trieb ihn, Angst, dass sie in Gefahr war und er nicht da war, um sie zu beschützen oder sie davon abzuhalten, Risiken einzugehen. »Ver- dammt, Hester!« Er schleuderte die Teedose in die Ecke und sah zu, wie der Tee sich auf dem Fußboden verteilte.
Sie fing ohne Vorwarnung an zu lachen, zerrte an den Hutbändern, riss sich den Hut vom Kopf und warf sich ihm in die Arme. Ihr Lachen wurde von Schluchzern abgelöst, und sie klammerte sich so fest an ihn, dass es wehtat. Er war glücklich zu spüren, wie stark sie war, umarmte sie und hielt sie fest, während er jedes Zeitgefühl verlor und es wirklich keine Rolle mehr spielte.
13
Monk hätte Hester die ganze Nacht in den Armen halten können, aber der Prozess würde am nächsten Morgen fortgesetzt werden, und sie mussten unbedingt vorher mit Imogen und Pendreigh sprechen. Sonst war es womöglich zu spät.
Hester machte sich los und sah ihn an.
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