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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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dem Fuß auf den Boden und sofort versank sein von Lederbändern geschütztes Bein bis zur Wade im Morast. Er befreite es ohne besondere Schwierigkeiten und schüttelte den Schlamm ab. »Das heißt, wir müssen unter freiem Himmel schlafen - wenn man an so einem Ort überhaupt schlafen kann.«
    »Na und die Mücken werden uns bei lebendigem Leib auffressen«, verkündete Validen. Er klang in etwa so begeistert wie ein Mann, der zu seiner eigenen Hinrichtung geführt wird.
    »Ihr solltet euch um ganz andere Dinge Sorgen machen als um Mücken.« Dalman zog ein Ledersäckchen aus einer Innentasche seines weißen Gewandes und holte ein langes, stechend riechendes tiefgrünes Blatt heraus. Eiskraut nannten es die Ewigen, es hatte einen unangenehmen Geruch und half gegen Müdigkeit. Mit einem stumpfen Knacken brach er es in der Mitte durch und steckte sich eine Hälfte in den Mund. Die andere legte er in das Säckchen zurück, schloss es und ließ es wieder in die Tasche gleiten. »Unter der Wasseroberfläche verbergen sich Dinge, die nachts hervorkommen. Und die können bis zu drei Meter lang werden.« Mit ernster Miene kaute er weiter sein halbes Blatt. Ein moschusähnlicher herber Geruch erfüllte die Luft.

    »Das sagst du doch nur, um uns einen Schreck einzujagen, was, Cousin?«, fragte Elfhall.
    »Nein.« Dalman spuckte einen Schwall grünlicher Spucke auf den Boden. »Das sage ich, weil es so aussieht, als ließe eure Wachsamkeit nach. Wenn ihr glaubt, das Gefährlichste hier seien die Mücken, habt ihr euch ziemlich verrechnet.«
    Lyannen schnaubte verächtlich. »Ventel kennt die Gefahren auf dem Weg ganz genau.«
    »Natürlich kennt er sie«, stimmte Dalman zu. »Das wird aber nichts ändern. Wir können nicht Tag und Nacht marschieren, ohne zu schlafen. Deshalb gebe ich euch den Rat, beim Schlafen immer ein Auge offen zu halten.« Ein Seufzer drang durch seine halb geöffneten Lippen und der stechende Geruch seines Atems traf Lyannens Nase und machte seinen Kopf frei. »Manch großer Mann schafft es, auf Schlaf zu verzichten, aber das ist doch eine seltene Gabe, und sie ist leider nicht erlernbar.«
    »Eine Gabe«, wiederholte Lyannen. Irgendetwas ging ihm durch den Kopf. »Und weißt du, in welchem Alter sie sich zum ersten Mal zeigt?«
    »Keine Ahnung.« Dalman schüttelte den Kopf. »Ich habe nie jemanden kennengelernt, der sie besitzt.« Er musterte Lyannen aufmerksam. »Warum interessiert dich das?«
    »Ach, nur so«, sagte Lyannen.Wenn er wirklich eine Gabe besaß, die nur »manch großer Mann« hatte, sollte niemand davon erfahren. Früher hätte er es vielleicht Ventel erzählt, aber nun hatte auch der sich verändert.
    Lyannen hing weiter seinen Gedanken nach, hörte dem Geplauder seiner Reisegefährten nicht mehr zu und antwortete auf ihre Fragen nur mit kümmerlichen Formulierungen wie »weiß nicht«, »vielleicht« oder »kann sein«. Obwohl er die Nacht durchwacht hatte, fühlte er sich weder müde noch schläfrig. Doch so langsam konnte er den Gestank des Sumpfes nicht mehr ertragen und jedes Stückchen nackte Haut an seinem Körper juckte.

    Mittags aßen sie etwas im Gehen. Lyannen trank einen Schluck Ambrion aus der Flasche, die Slyman ihm reichte, aber nicht einmal das konnte seine Laune verbessern. Sie verbrachten den restlichen Nachmittag mit Marschieren, Lyannen kam diese Zeit endlos vor. Gegen Abend informierte sie Ventel, dass sie ungefähr die Hälfte des Weges geschafft hatten und dass sie jetzt lagern würden. Sie konnten eine Erhebung im Boden nutzen und hatten dort etwas festeren Untergrund. Es gelang ihnen mit Mühe und Not, eines von drei Zelten aufzustellen, und auch das schwankte noch ziemlich. Das einzige Problem war, zu neunt in dem Zelt Platz zu finden. Sechs Ewige, einen Halbsterblichen, eine Sterbliche und einen Ka-da-lun dort unterzubringen, schien ein ziemlich schwieriges Unterfangen zu sein. Sie lösten das Problem, indem sie irgendwann resignierten und beschlossen, dann eben in zwei Schichten Wache zu halten - eine zu viert und die andere zu fünft. Lyannen, der überhaupt nicht müde war, obwohl er die Nacht zuvor kein Auge zugemacht hatte, schlug vor, die erste Wache zu übernehmen. Drymn und Validen plädierten ganz laut für eine Ruhepause, und auch Slyman wirkte, als brauche er dringend einige Stunden Schlaf. Deshalb beschlossen sie, dass Lyannen gemeinsam mit Ventel, Dalman und Irdris die erste Schicht übernehmen sollte. Eigentlich hätte sich Lyannen viel lieber

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