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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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er versucht, diese verfluchte Waffe viele Tausend Meilen weit wegzuwerfen. Dann
nahm er auch ihn mit sich, ohne genau zu wissen, warum. Lyannen nahm alle verbliebenen Kräfte zusammen und schulterte Dalmans leblosen Körper, der immer noch warm und feucht vom Blut war und schwer auf ihm lastete.
    Mit seinen ein Meter achtzig war Lyannen gut dreißig Zentimeter kleiner als Dalman und wog auch wesentlich weniger. Eigentlich war es völlig unmöglich für ihn, den Freund zu Fuß bis nach Syrkun zu tragen, abgesehen davon, dass ihn jederzeit Feinde angreifen konnten. Aber das kümmerte ihn nicht. Schritt für Schritt machte er sich auf den Weg zurück zu den fernen Mauern.
    Auch später konnte er nie mehr nachvollziehen, wie er es geschafft hatte, mit Dalman auf dem Rücken das niedergerissene Tor zu erreichen und zurück in die Festung zu gehen, ohne unterwegs vor Erschöpfung ohnmächtig zu werden oder von irgendeinem Feind angegriffen zu werden. Er hatte den ganzen Weg wie betäubt zurückgelegt, ohne etwas zu sehen oder zu hören, und war sich auch nur gerade so bewusst, dass um ihn herum eine Schlacht tobte.Von der langen Strecke hat sich ihm nur ein Erlebnis klar in sein Gedächtnis eingebrannt. Er war nicht mehr weit von den Befestigungsmauern, von der Rettung entfernt, als er plötzlich stolperte. Mühsam hatte er sich dann wieder aufgerichtet. Und sein Blick hatte ganz zufällig den eines anderen gekreuzt - den eines jungen Sterblichen mit flammenroten Haaren, von hagerer, sehniger Gestalt, nur mit einem weißen Röckchen bekleidet. Blutund Dreckspritzer prangten sowohl auf dem Körper wie auf der Kleidung des jungen Mannes, der gerade die Klinge seines Langschwerts aus einem der eben grausam erschlagenen Körper von zwei oder drei Ewigen zog. Seine Augen waren beunruhigend gelbgrün und wirkten irgendwie merkwürdig.
    Einige geradezu unendlich lange Momente hatte Lyannen den Mann angeblickt und der hatte den Blick erwidert. Lyannen hatte darauf gewartet, dass der junge Mann sein Schwert erheben,
auf ihn zukommen und ihm ein Ende bereiten würde. Das hätte er tun können. Er gehörte zu den Schwarzen Truppen. Er würde es tun.
    Doch Scrubb Vyrkan hatte nur stumm den Kopf geschüttelt, seine Waffe fest gepackt, ihm den Rücken zugedreht und war gegangen.
    Und Lyannen war weitergelaufen.
    Er war mit seinen Kräften am Ende, als er die Mauern erreichte. Hörte Rufe des Erstaunens und spürte, wie man ihn anstarrte, während er durch die Bresche im Südtor schritt. Einen Moment lang fürchtete er, dass die Bogenschützen von den Befestigungsmauern auf ihn schießen würden, weil sie ihn für einen Feind hielten, aber das taten sie nicht. Er machte noch ein paar Schritte vorwärts auf der festgestampften Erde des Hofes, ehe er bemerkte, dass er zu müde war, um auch nur einen Meter weiter zu gehen. Mit zusammengepressten Lippen und ausgedörrter Kehle sank er in die Knie, ohne jedoch Dalmans Leiche loszulassen. Er wollte nicht, dass sie in den Staub fiel.
    Dann hörte er das laute Geräusch von Schritten, Stimmen von Ewigen, die auf ihn einredeten, aber er konnte nicht verstehen, was sie sagten. Hellblau-silberne Uniformen flimmerten vor seinen Augen. Er spürte einen Stoß, als jemand versuchte, ihm Dalmans Leiche abzunehmen. Doch Lyannen umklammerte den Freund fester, er wollte ihn nicht loslassen. Die Stimmen redeten wieder mit ihm, Wortfetzen, die Lyannen nicht verstand. Dann tauchte vor Lyannens getrübten Augen das besorgte Gesicht eines Ewigen mit einer dichten blonden Mähne auf. Lyannen wollte etwas zu ihm sagen und ihm erklären, was sich zugetragen hatte, er öffnete seinen Mund, doch ihm versagte die Stimme. Er presste weiter den schweren, leblosen Körper an sich, als könne er sich nicht davon trennen.
    »Es ist alles in Ordnung, Bruder«, sagte der Ewige und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Die langsam und deutlich ausgesprochenen
Worte erreichten Lyannen wie aus weiter Ferne. »Es ist alles in Ordnung. Du bist unter Freunden. Bist du verwundet? Nein, ich sehe nichts. Du bist bloß erschöpft. Lass diesen Toten jetzt los.War er dein Freund? Das tut mir leid. Aber du kannst nun nichts mehr für ihn tun. Er wird alle Ehren erhalten, die er verdient. Das verspreche ich dir.Aber jetzt lass ihn los, und dann sehen wir, wie wir dir helfen können. Ich glaube, dass du Hilfe benötigst.«
    Da ließ Lyannen die Leiche los und in die Arme eines Ewigen gleiten, der hinter ihm stand. Er fühlte, wie ihm die

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