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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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der sengenden Sonne der Ödnis, in dieser ausgetrockneten, verbrannten Landschaft, und mit all dem schweren Gepäck auf dem Rücken kam er nur schwer voran. Die trockene Hitze war drückend und schier unerträglich, er schwitzte und quälte sich. Daraufhin zog er sich das Hemd aus und band es um die Hüfte, doch auch mit nacktem Oberkörper brannte die Hitze noch schrecklich. Er konnte sich auch nicht den Kopf mit Wasser kühlen, denn sein Vorrat war begrenzt und er musste sparsam damit umgehen. Hin und wieder hatte Slyman das Gefühl, dass ein Teil seines Hirns unter den unerbittlichen Strahlen der Sonne verschmorte. Fast war es ihm, wenn er nur aufmerksam genug hinhörte, als ob er ein leises Zischen hörte. An mehreren Stellen war seine Haut verbrannt und schälte sich, und obwohl er Wundbalsam darauf verteilte, brannte sie immer noch schmerzhaft und juckte. Seine Haare waren mittlerweile völlig verfilzt und voller Sand und er hatte sich noch nie im Leben so schmutzig gefühlt.
    Dennoch marschierte er weiter. Die Ödnis konnte sich nicht endlos erstrecken, irgendwo musste auch sie ein Ende haben, ein
paar Meilen weiter oder viele Tausend. Und mit jedem seiner Schritte verringerte sich der Weg zu diesem Ende - an diesen tröstlichen Gedanken klammerte er sich. Immer einen Schritt nach dem anderen und schon hatte er wieder eine halbe Meile hinter sich gebracht. Wenn es Mittag wurde, die Sonne hoch im Zenit stand und es wirklich zu heiß war, um weiterzumarschieren, machte er im Schatten des erstbesten Baumstumpfes Halt. Dann brach er einige Zwiebäcke durch und aß sie, trank vorsichtig einen Schluck Wasser.Während er darauf wartete, dass es kühler wurde, polierte er die lange Klinge seines Schwertes oder las in einem Buch mit alten Heldengesängen, das man ihm als Abschiedsgeschenk in der Letzten Stadt überreicht hatte.Wenn die Hitze nicht mehr so drückend war, legte er das Buch zur Seite, steckte sein Schwert in die Scheide und machte sich wieder auf den Weg.
    So ging das drei oder vier Tage lang. Allmählich verlor er jegliches Zeitgefühl, denn alle Tage glichen sich und einer war so öde wie der andere. Immer war er allein. Manchmal zog er während seiner monotonen Pausen einen Spiegel hervor und unterhielt sich mit seinem Bild darin, damit er sich nicht ganz so verlassen fühlte. Das half zwar nicht viel, doch er war überzeugt, er würde das Sprechen verlernen, wenn er keine Stimme mehr hörte, und sei es auch nur die eigene. Er fragte sich, wie es der Einsame wohl geschafft hatte, Tausende, endlose Jahre durch die Lande zu ziehen. Und wie würde er das jetzt ertragen, wo er doch über lange Jahre erfahren hatte, wie angenehm es war, Gesellschaft zu haben? Oft, so schien ihm, lässt Unwissenheit einen Schmerz erträglicher wirken. Sie hatten gerade einmal dreihundert Jahre zusammen verbracht und eigentlich hätte dies nur ein Vorgeschmack auf eine noch schönere lange gemeinsame Zeit sein sollen.
    Slyman machte sich wieder auf den Weg. Meilenweit war nichts zu hören als das Geräusch seiner Schritte und sein keuchender
Atem. Und dennoch lief er weiter, müde, aber beständig, und dachte nur an den Auftrag, den ihm der Einsame erteilt hatte.
     
    Viele Meilen von ihm entfernt, in den Nebelgebieten der Unbekannten Länder, war der Einsame von Neuem allein, nachdem er dreihundert Jahre die tröstliche Gesellschaft seines Schülers und Schutzbefohlenen geteilt hatte. Und zum ersten Mal in seinem Leben vermisste er nach Jahrtausenden selbst gewählten Alleinseins den Freund an seiner Seite. Hatte er richtig gehandelt, als er Slyman dazu gedrängt hatte aufzubrechen? Oder hätte er ihn besser hier auf der anderen Seite der Grenze bei sich behalten sollen, fern vom Krieg und all seinen Gefahren? Würde es der Junge so ganz allein da draußen schaffen? In den dreihundert Jahren hatte er ihm vieles, aber mit Sicherheit nicht alles beigebracht …
    Schließlich hatte der Einsame mit dem Kind eine Verantwortung übernommen: Er sollte ihn von jeglicher Gefahr fernhalten und ihm alles beibringen, was er wusste, damit sich sein Schicksal schließlich erfüllen konnte. Denn der Junge war zu etwas Besonderem bestimmt, und der Einsame wusste, dass er das nur erreichen konnte, wenn er sich dem Bund der Rebellen anschloss. Ach ja, die Rebellen. Wie viele Meilen mochten noch zwischen ihnen und Slyman liegen, welche Gefahren standen ihnen allen noch bevor? Der Einsame konnte es nicht mehr sehen. Als er den goldenen

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