Gefaehrten der Finsternis
Anhänger abgenommen und ihn Slyman übergeben hatte, büßte er damit die Gabe des zweiten Gesichts ein. Nun irrte er verloren in den Nebeln eines unbekannten Landes umher, dessen Geheimnisse allein seine mysteriösen Bewohnern kannten, und erfuhr nicht mehr das Geringste von dem, was in der Welt vor sich ging, zu der er früher ebenfalls gehört hatte. Jetzt war er endlich so einsam, wie er es sich immer vorgestellt hatte. Die ganze Zeit seit seinem Rückzug aus der Welt hatte er sich so ein Leben gewünscht, aber inzwischen hatte sich etwas verändert.
Es war nicht mehr so wie damals, als er sich zum ersten Mal in die ausgedörrte, karge Landschaft der Ödnis gewagt hatte - und als er geglaubt hatte, wenn er alles hinter sich ließe, könne er auch all seinen Schmerz zurücklassen. Damals hatte er nichts mehr, was ihn hielt. Er hatte alles verloren, und es war ihm einerlei, was mit ihm geschehen würde. Doch nun, da er sich endgültig von der übrigen Welt zurückgezogen hatte, war er auf einmal nicht mehr frei von Ängsten und anderen Gefühlen. Nun gab es wieder jemanden da draußen, um den er sich sorgte, an dessen Geschick er Anteil nahm und den er liebte. Gegen seinen Willen wanderten seine Gedanken zu Slyman, und die Sorge um das Wohl des Jungen zwang ihn, sich wieder mit dem Schicksal der Welt zu beschäftigen, die er von sich gewiesen hatte.
Nun, wo er nur mehr einen Schritt von seinem selbst gewählten Ziel entfernt war, sollte er wirklich schwanken und eine mögliche Umkehr erwägen? Bestimmt nicht, versuchte er sich einzureden, schließlich hatte er sich schon mit so vielem abgefunden, da würde er auch noch das ertragen. Er musste bloß vergessen. Mit der Zeit würde es ihm sicher auch gelingen, Slyman zu vergessen, er musste es nur wollen. Aber was war, wenn er tief in seinem Innersten diesen Jungen überhaupt nicht vergessen wollte?
In diese Gedanken versunken, war der Einsame an eine Quelle gekommen. Das trübe Wasser gurgelte in einem schmalen Spalt einer hohen Felswand und sammelte sich darunter in einer stehenden Pfütze, von der einige kümmerliche Rinnsale abgingen. Es sah trüb aus, aber immerhin war es Wasser und floss in einem sprudelnden Strahl durch den Stein. Das genügte ihm. Der Einsame legte sein Gepäck ab, beugte sich vorsichtig zu dem Strahl vor, formte seine Hände zu einer Schale und sammelte ein wenig Wasser darin. Es roch zwar etwas streng nach Schwefel, doch als der Einsame damit seine Lippen benetzte, befand er es trotz des Gestanks für trinkbar. Dann füllte er seine leer gewordene Flasche randvoll, verschloss sie wieder und steckte sie in seinen
Reisesack. Nun ging wieder an die Quelle, stillte seinen Durst an diesem übel riechenden, aber kühlem Wasser und zog sich erst wieder zurück, als seine Haare und auch seine Kleider nass gespritzt waren. Doch als er sich umdrehte, um sein Gepäck aufzunehmen, schrak er zusammen und hielt den Atem an: Eine Lanze zielte auf seine Kehle! Vorsichtig schaute er auf, um zu sehen, wer ihn mit der Waffe bedrohte, und wieder tat das Herz in seiner Brust eine Sprung. Die auf ihn gerichtete Waffe hielt doch tatsächlich eines dieser behaarten Wesen in seiner Faust. Dabei hatte er geglaubt, er habe sie besiegt. Stattdessen standen sie nun im Kreis um ihn her. Es waren viel mehr als beim ersten Mal und sie wirkten zu allem bereit.
»Verflucht«, schimpfte der Einsame leise und streckte langsam seinen Arm in Richtung Gürtel, um sein Schwert zu ziehen. Wenn er erst einmal die Waffe in der Hand hielt, würde er sich gewiss auch aus dieser schwierigen Situation befreien können - auch wenn er dieses Mal allein war.
Der Behaarte, der ihn bedrohte, kam mit der Lanze immer näher, bis die Spitze seiner Waffe die Haut des Einsamen zu berühren schien - ganz so, als suche sie nach einem Punkt, an dem sie sie durchbohren wollte.
Doch der Einsame berührte bereits mit den Fingern den Griff seines Schwertes, und als er ihn packte, spürte der Ewige, wie neue Kraft durch seine Adern strömte. Er schnellte hoch und zog blitzschnell das Schwert aus der Scheide.
Der Behaarte, der mit der Lanze nach ihm zielte, murmelte einen unverständlichen Fluch und schleuderte die Waffe nach ihm. Der Einsame duckte sich blitzschnell, und als die Lanze an ihm vorbeizischte, sprang er nach vorne und schlug mit einer einzigen eleganten Bewegung seiner Klinge dem haarigen Wesen den Kopf ab. Im Grunde seines Herzens hoffte der Einsame, dass der Tod seines Gegners wieder
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