Gefaehrtin Der Daemonen
Hände. Sie wirkten kräftig, schienen an körperliche Arbeit gewöhnt zu sein. Sie waren schmal, vornehm, das Handgelenk war fein geschwungen, und ich sah in den schlanken, feinen Fingern, mit denen er gegen das Holz seines geschnitzten Gehstocks tippte, eine Geschichte.
Aber er strahlte plötzlich Unbehagen aus; ich spürte einen Riss in seiner Gelassenheit, was mich fast so sehr beunruhigte wie seine entspannte Reaktion bei unserer ersten Begegnung.
Ich berührte den glatten Knauf des Stockes, zeichnete mit dem Finger den Umriss eines Blattes nach. Grant hörte plötzlich auf zu tippen. »Was wissen Sie über Dämonen?«
»Nicht viel.« Erneut bewegte er seine Finger, nur strich er diesmal über mein Handgelenk. Der Schmerz in meinem Magen vibrierte, wurde zu einem Beben, das sich verstärkte, als er die zarte Haut zwischen meinen Fingern erforschte; seine Berührung war zart, so zart. »Ich wurde … angeregt, das Thema aus unterschiedlichen kulturellen Perspektiven zu erforschen.«
»Sie glaubten schon vor dem heutigen Tag an ihre Existenz.«
»Ich habe gelernt, an sie zu glauben. Also habe ich sie studiert. Ich wusste allerdings nicht, ob irgendetwas von dem, was ich da las, korrekt war. Jetzt … Ich denke, viel traf nicht zu.«
»Wenn Sie alles, was Sie gelernt haben, als ein Ganzes betrachten, ergibt es vielleicht mehr Sinn.«
»Sie meinen, ich soll nach Zusammenhängen suchen?«
»Nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Dem Schüren von Hass, dem Krieg gegen das Mitgefühl. Am Ende geht es immer nur darum.«
»Nicht immer.« Seine Finger glitten mein Handgelenk hinauf. »Nicht bei Ihnen.«
Seine Berührung fühlte sich so gut an. »Sie kennen mich doch gar nicht.«
»Das muss ich auch nicht.« Er sah mir in die Augen. »Man hat schon einmal versucht, mich umzubringen. Es war ein Unfall mit Fahrerflucht. Vor einem Monat. Damals war ich auch auf dem Weg zum Markt.«
Ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln. »Und Sie wissen nicht, warum?«
Er zögerte kurz und schüttelte dann den Kopf. Sein Zögern erinnerte mich an Zees Schweigen, als ich ihn nach Grant gefragt hatte. So reagierte jemand, der sich rasch eine Lüge zurechtlegte.
Die Jungs kamen zurück, glitten atemlos aus den Schatten auf die Rückbank. Sie unterhielten sich lautlos, aber angeregt, und ihre Klauen klapperten. Ich zog rasch meine Hand von Grant zurück. »Wir haben ihn gefunden«, sagte Zee. »Ein übler Bursche, Maxine. Der Schlächter hat mit dem Jungen ein gutes Opfer erwischt. Faulig. Faulig.«
»Was bedeutet das?« Grant griff plötzlich in den Rucksack zwischen seinen Füßen und zog eine schmale schwarze Schachtel heraus.
»Das heißt, der Junge war bereits lädiert, als der Dämon von ihm Besitz ergriffen hat. Mehr als nur lädiert. Vielleicht ein Psychopath.« Ich sah Zee an. »Wie kommen wir am besten an ihn heran?«
»Jetzt. Sofort. Draußen, Maxine. Er spielt.«
»Im Dunkeln?«, brummte Grant. Ich spürte seine Unrast. Einen Augenblick spielte ich mit dem Gedanken, ihm zu befehlen, hierzubleiben. Aber sein entschlossener Blick sagte mir, dass ich nichts ausrichten konnte. Er wollte mit. Er musste mitkommen. Ende der Diskussion. Natürlich hätte ich ihn zwingen können. Ich hätte einen der Jungs zurücklassen können, der auf ihn aufpasste. Unter dem Vorwand, dass er ein krankes Bein hatte. Bei jedem anderen hätte ich es so gemacht. Aber bei diesem Mann …
Ich wusste einfach nicht, was er an sich hatte. Was da zwischen uns vorging. Ich wollte ihn nicht abschütteln, nicht einmal für einen einzigen Augenblick. Zum ersten Mal in meinem Leben. So etwas hatte ich noch nie empfunden. Selbst meiner Mutter wollte ich ab und zu weglaufen. Ich hatte es versucht. Die Jungs hatten mich immer wieder zurückgebracht.
Wir stiegen aus dem Auto und gingen los. Dek und Mal versteckten sich immer noch schnurrend in meinem Haar, während Zee, Aaz und Rohw von Schatten zu Schatten sprangen. Es regnete jetzt stärker, der Bürgersteig war leer. Aus den Fenstern des Hauses leuchtete goldenes Licht.
Eine nettes Viertel. Angenehm und reich. Leute, die in solchen Gegenden wohnten, fühlten sich in ihren Häusern sicher, und auch außerhalb ihrer Villen. Sie vertrauten dieser Sicherheit. So sehr, dass sie in einem verkrüppelten Mann und einer Frau, die noch vor acht Uhr abends ungezwungen über die Straße schlenderten, keine Bedrohung sahen. Sie stellten keine Gefahr dar, boten keinen Grund, Angst zu haben.
Es sei denn,
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