Gefaehrtin Der Daemonen
den sprichwörtlichen Scheideweg gekommen und blindlings auf einen Pfad gestolpert war, den einzuschlagen einen die Märchen sonst immer warnten. Der schwere Weg, der zu einem verzauberten Schloss führte, durch einen Wald aus Brombeerhecken, Treibsand und Fallen voller hungriger Drachen. Ein Pfad, an dessen Ende entweder der Tod oder der Ruhm wartete. Nichts davon interessierte mich.
Tod hatte ich genug gesehen, und bei Weitem genug Ruhm erduldet.
Jetzt wollte ich nur noch meine Ruhe.
2
G elegentlich, in meiner Jugend, stellte meine Mutter das Radio leiser und sagte: »Eines gibt es, das musst du über Dämonen wissen, Baby. Vielleicht rettet es dir mal das Leben.«
Ich hörte zu, obwohl ich immer schon wusste, was jetzt kam. Ich hörte meiner Mutter liebend gern zu. Obwohl wir ein hartes Leben führten, versuchte sie alles, um den Schrecken zu kontrollieren. Sie dosierte ihn zu kleinen Happen, damit ich nachts schlafen konnte und nicht begann, die restlichen vierzig Jahre meines Lebens - oder mehr - zu fürchten. Auch wenn sie einiges ausließ, erzählte sie mir auf ihre Art genug, damit ich weitermachte.
Meine Mutter war eine Lady und benutzte so gut wie nie Kraftausdrücke. Nur wenn sie das Radio abstellte, brach sie diese Regel.
»Dämonen sind üble Arschlöcher«, sagte sie. »Und genau deshalb muss man sie vorsichtig behandeln. Das gilt auch für uns.«
Es regnete, als ich mit dem Mustang spazieren fuhr. Es war erst später Nachmittag, aber die Sturmwolken waren so dunkel, dass die Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge wie Signallampen in meinen Augen brannten, die seit Kurzem
sehr empfindlich waren. Ich rieb sie und erinnerte mich an den Schmerz. Ich konnte mein Blut noch schmecken.
Im Winter war Seattle unerträglich. Es war immer nass, die Sonne schien nur sehr selten; dann aber brannte sie sich kurz durch die Wolken und badete alles in ihr kostbares geisterhaftes Licht. Und dann die Nächte, wenn die Wolken manchmal aufrissen, die Sterne funkelten und der Mond glühte, wenn er aufging.
Das einzig Gute an diesem Wetter war nur, dass es zu meiner Garderobe passte: lange Ärmel, Rollkragen, Jeans, Handschuhe. Ich zeigte nie Haut, außer der Haut meines Gesichts, und selbst das war nur ein Zugeständnis an meine Eitelkeit. Mein Gesicht war vom Hals bis zum Haaransatz der einzige Teil meines Körpers ohne Tätowierungen. Es gehörte zu meiner Abmachung mit den Jungs; denselben Handel hatten schon Generationen meiner Vorfahren mit ihnen gemacht. Es war unsere Art, uns in die Gesellschaft einzufügen und eine Illusion der Normalität zu schaffen.
Ich fuhr langsamer, als erlaubt war. Der Mustang zog die Verkehrspolizisten fast magnetisch an. Rot und glänzend wie Schneewittchens vergifteter Apfel. Ein klassisches Sechziger-Jahre-Coupé mit umgebauter Rückbank, damit die Jungs es bequemer hatten. Ledersitze, eine Stereoanlage im Retrolook und viel Chrom. Und ein Achtzylinder unter der Haube. Heißer Schlitten. Ich liebte meinen Wagen.
Auf dem Rücksitz lagen Teddybären, die meisten von ihnen waren zerlegt. Leere Tüten diverser Schnellrestaurants sammelten sich auf dem Boden, neben einem Sack mit Nägeln, Schrauben und Bolzen. Imbissessen. Angeblich sehr schmackhaft, wenn man es mit Jalapeno-Soße und Pommes kombinierte.
Steve Perry schmalzte im Radio. Ich drehte die Lautstärke herunter, und der rhythmische Beat der Scheibenwischer stimmte
sein Lied an. Ich befand mich immer noch im Lagerhaus-Viertel, einer heruntergekommenen Gegend aus fahlem Beton, geborstenen Bürgersteigen und zerbrochenen Fenstern. Und zu viel Maschendraht. Ich hatte hier fast zwei Monate lang gelebt und Unternehmen kommen und gehen sehen, meistens Künstler. Billige Mieten. Die Wiederbelebung und der Verfall des Wesentlichen. Das Coop’s, Grants Obdachlosenheim, gehörte zu dem wenigen festen Inventar in diesem Randbezirk von Seattles Geschäftsstadt.
Zee zupfte an meiner Haut, während ich fuhr. Das taten alle Jungs. Es fühlte sich an, als würden Teile meines Körpers versuchen, sich abzuschälen. Das war kein gutes Omen, und he!, ich brauchte wirklich nicht noch eins. Ich rieb mir die Nase, den Rand meines linken Auges. Mein Herz schlug schneller. Ich sah Worte in meinem Kopf, in der säuberlichen Handschrift meiner Mutter. Sie hatte Tagebuch geführt. Große, in Leder gebundene Tagebücher mit dickem Papier, das immer noch nach Weihrauch und Rosenwasser duftete. Ich hatte sie noch fünf Jahre nach ihrem Tod
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