Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gefaelschtes Gedaechtnis

Titel: Gefaelschtes Gedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John F. Case
Vom Netzwerk:
Nikki überhaupt einen Computer? Eigentlich hätte es ein Post-it-Block auch getan. Also hatten sie wahrscheinlich gar nicht nach dem Computer gesucht, als sie ihre Wohnung auf den Kopf stellten. Vielleicht suchten sie nach etwas anderem. Oder hatte sie vielleicht doch irgendwas übersehen?
    Adrienne unterdrückte ein Gähnen und fing an, den Kalender Monat für Monat durchzugehen, suchte nach irgendetwas Ungewöhnlichem. Aber da war nichts. Ein Zahnarzttermin im Juli, eine Fahrt zur Hundepension im Oktober, ein Vermerk, ein Konzert von Little Feat zu besuchen.
    Adrienne stockte. Hundepension?
    Sie ging zu den Einträgen für Oktober zurück, klickte den 19. an und öffnete ein Fenster:
    Betreff: Jack in Hundepension.
    Ort: Arlington
    Beginn: Sonntag, 7. 10.
    Ende: Freitag, 12. 10.
    Adrienne lehnte sich zurück und starrte den Bildschirm verwundert an. Nikki fuhr nie irgendwohin. Warum also sollte sie Jack in einer Hundepension unterbringen? Sie ließ den Oktober noch einmal Revue passieren. Es hatte da ein paar Tage gegeben — das fiel ihr jetzt wieder ein —, an denen sie versucht hatte, Nikki zu erreichen, sie aber nicht ans Telefon bekam. Was hatte das zu bedeuten?
    Sie wusste noch, dass sie besorgt gewesen war, immerhin so besorgt, dass sie ihr eine E-Mail geschickt hatte, die Nikki ignoriert hatte, ebenso wie die Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter. Adrienne hatte schon zur Wohnung ihrer Schwester fahren wollen, um nachzusehen, ob alles in Ordnung war, als Nikki sich endlich doch noch .meldete und so tat, als wäre nichts passiert.
    Wo hast du gesteckt?
    Nirgends.
    Nirgends?
    Ich hatte zu tun. Ich hab vergessen, dich zurückzurufen.
    Adrienne überlegte, wann das gewesen war. Oktober. Anfang Oktober. Genau um die Zeit. Eine Mischung aus schlechtem Gewissen und klammheimlicher Freude stieg in ihr auf, als ihr klar wurde, dass ihre Schwester sie angelogen hatte. Es war da vor ihrer Nase im Computer: Jack in Hundepension / Wo hast du gesteckt? / Nirgends.
    Sie schaltete den Computer ab, stand auf, reckte sich und gähnte. Nikki hatte ein geheimes Leben geführt. Irgendwo.
    Als sie am Morgen erwachte, hörte sie Regen — heftigen Regen — und das gedämpfte Rauschen der Brandung, und sie registrierte das ungewohnte Gefühl einer nackten Matratze und einer kratzigen Decke auf der Haut.
    Das Haus wurde nicht mit Bettwäsche vermietet, und das hatten sie vergessen, als sie und Duran einkaufen gewesen waren. Es gab jedoch ein paar zerschlissene Badetücher, also würde sie wenigstens duschen können.. Ihr Kopf tat weh, und sie legte vorsichtig eine Hand auf die Schwellung über dem Ohr, eine Schwellung, die mindestens genauso schmerzhaft war wie am Vortag. Sie schwang die Füße aus dem Bett, warf einen Blick auf die Uhr und blinzelte erstaunt: Es war fast Mittag!
    Sie zog sich rasch ein T-Shirt und eine Jogginghose über, obwohl bei dem Regen wohl nicht an Laufen zu denken war. Duran war schon seit Stunden auf. Er saß auf der Couch, geduscht und rasiert, die Fernbedienung in der Hand. Als sie eintrat, drückte er die Stummtaste.
    »Hallo«, sagte er.
    »Sie gucken viel Fernsehen, nicht?«
    Es war eine rhetorische Frage, aber die Ironie entging ihm gänzlich. Er überlegte. Schließlich sagte er: »Ja. Tu ich.«
    Als wäre ihm das gerade erst klar geworden.
    »Sie hätten mich wecken sollen«, sagte sie tadelnd.
    Er zuckte die Achseln. »Warum? Es gießt in Strömen.«
    »Wir haben noch einiges zu tun — bevor wir nach New York fahren.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zuerst mal Kaffee machen«, entgegnete sie, drehte sich um und ging in die Küche, um den Wasserkessel aufzusetzen. Auf der Arbeitsplatte standen ein Plastikfilter und eine Packung Filtertüten.
    »Wissen Sie, ob Nikki je irgendwohin gefahren ist?«, fragte sie, während sie den Filter mit zwei Teelöffeln Kaffee auf eine blaue Tasse setzte.
    »Wie meinen Sie das?«, erwiderte Duran und kam zu ihr.
    »Ich meine, ist sie jemals verreist — soweit Sie wissen?«
    Duran runzelte die Stirn.
    »Es müsste so Anfang Oktober gewesen sein«, fuhr Adrienne fort. Etwa zehn Tage bevor ...« Der Wasserkessel begann zu pfeifen, und sie ließ den Satz verklingen, während sie das kochende Wasser über das Kaffeepulver goss.
    »Sie hat einen Termin verpasst«, sagte Duran. »Etwa um diese Zeit.«
    »Kam das öfter vor?«, fragte Adrienne.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. So gut wie nie.«
    »Wissen Sie, wo sie gewesen ist?«
    Duran zuckte die Achseln. »Nein, aber ...

Weitere Kostenlose Bücher