Gefaelschtes Gedaechtnis
nur kurz zuwinkte und dann den Flur hinunter davoneilte.
Vielleicht bildete sie es sich nur ein, aber Lew McBride wirkte irgendwie anders. Er sah größer aus, sportlicher und entspannter. Er lächelte sie an, als sie auf ihn zuging, und das Lächeln war auch anders — weniger vorsichtig. Glücklicher. Und da war etwas in seinem Blick. Vielleicht ging es ihm ja wirklich wieder gut, dachte sie.
»Darf ich dich zum Essen einladen?«, fragte er. »Wir können über unsere Zukunft sprechen.«
Sie gingen hinaus in den kalten und sonnigen Tag.
Sie musste die Frage stellen: »Hast du Geld? Ich bin so gut wie blank.«
»Ich habe wirklich was«, sagte er. »Die Klinik hat mir ein bisschen Geld gegeben. Offiziell bin ich Teil eines Forschungsprojektes. Musste einen Haufen Papiere unterschreiben. Ich glaube, Ray Shaw hat durchblicken lassen, ich könnte vor Gericht gehen.« Die Bürgersteige waren voller zielstrebiger Menschen. Er nahm ihren Arm, als sie sich dem Straßenrand näherten, und hielt ihn fest, während sie die Kreuzung überquerten. »Zumal ich bekanntlich ständig mit meiner Anwältin zusammen bin.«
»Deiner arbeitslosen Anwältin«, berichtigte sie.
»Wir sind beide arbeitslos«, sagte er. »Das haben wir gemein.«
Sie blickte ihn an. Er war wirklich anders. Die Unterhaltung mit ihm verlief ganz anders als sonst. Vielleicht konnte man nicht herumalbern, dachte sie, vielleicht konnte man nicht ironisch sein — wenn man nicht wusste, wer man war.
»Also, wo gehen wir hin?«
»Am Needle Park ist ein Piña-Colada-Stand.«
»Hört sich gut an«, sagte sie. »Das Hotel ist nur ein paar Querstraßen entfernt.«
»Da kriegt man auch Hotdogs. Richtig gute, schön knusprig.«
»Gegrillt, nicht gekocht!«
»Genau! Und echten Senf — nicht dieses laffe Zeugs.«
»Du scheinst dich ja gut in New York auszukennen.«
Er zuckte die Achseln. »Ich weiß, wo es gute Hotdogs gibt.«
Sie gingen weiter und hielten nach einem Taxi Ausschau. Nach einer Weile sagte sie: »In einem hast du Recht.«
»Das wäre?«
»Ich weiß nicht, ob die Klinik Fracksausen hatte, aber Shaw ganz bestimmt.«
»Ja, den Eindruck hatte ich auch. Wahrscheinlich hat er Druck von seiner Abteilung gekriegt. Er ist ja ein ziemliches Risiko eingegangen.«
»Ich weiß. Wenn du aus dem Fenster gesprungen wärst« Ihre Stimme verlor sich, und sie kam sich idiotisch vor, dass sie von Selbstmord angefangen hatte. Schließlich war der Mann neben ihr noch kurz zuvor in einer geschlossenen Abteilung an einem Bett festgeschnallt gewesen.
»Das ist übrigens vorbei«, sagte er. »Auch das mit dem Baseballschläger und dem Blut. Es ist so weit weg, dass ich kaum glauben kann, jemals davon überzeugt gewesen zu sein. So überzeugt, dass ich genau wusste, wie es ist, jemanden...« Er schüttelte den Kopf.
»Aber du warst es«, sagte sie.
»Was?«
»Davon überzeugt.«
Sie kamen wieder an eine Kreuzung. Er nahm erneut ihren Arm, hielt sie zurück, als ein Lieferwagen die rote Ampel überfuhr. »Ja«, gab er zu. »Und eins ist sicher.«
Sie traten auf die Straße. Er ließ ihren Arm nicht los. »Und was?«, fragte sie.
»Ich werde herausfinden, wer mir diese Überzeugung eingeimpft hat.«
33
S ie suchte gerade in McBrides Krankenakte nach dem Post-it-Zettel mit dem Namen des Mannes in West Virginia, den Shaw für sie aufgeschrieben hatte, als das Foto zu Boden fiel. McBride war in der Kochnische und leerte eine Dose Linsensuppe in einen Topf, als Adrienne in die Hocke ging, um das Foto aufzuheben — und plötzlich innehielt.
Es war ein Polaroidfoto von ... was? Sie nahm das Foto vom Boden auf, legte es auf den Schreibtisch und betrachtete es nachdenklich. Irgendein ... Ding. Sie konnte nicht mal erkennen, was es war, und doch hatte sie es schon einmal gesehen. Wo? Es dauerte einen Moment— dann fiel es ihr ein. Sie hatte es auf dem Fußboden in ihrer Wohnung gesehen, in dem Chaos, das irgendwer dort angerichtet hatte. Es lag in Nikkis ausgekippter Asche, dieses kleine, durchsichtige Objekt. Sie hatte es für einen Fremdkörper gehalten, der irgend wie bei der Einäscherung in die Asche geraten war. Und doch hatte Dr. Shaw ein Foto davon gemacht. Wie?
Sie drehte das Foto um und sah auf der Rückseite eine handschriftliche Notiz unter dem Datumsstempel:
Objekt, 64 mm x 6 mm,
entnommen dem Hippocampus
von J. Duran
gez./ Dr. N. Allalin
Ihre Brust schien enger zu werden, als sie begriff, dass das
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